Paul Nawrocki
Der frühe dänische Backsteinbau
Ein Beitrag zur Architekturgeschichte der Waldemarzeit

 

Paul Nawrocki stellt in seiner Kieler Dissertation die wesentlichen Merkmale sowie die Entwicklung der dänischen Backsteinarchitektur der Romanik zusammenfassend dar und präsentiert die wichtigsten Bauten in einem Katalog …
Bei der Frage, ob auch in Dänemark der lombardische Einfluss als ausschlaggebender Impuls angesehen werden muss, zeigt sich Nawrocki als Vertreter der vermittelnden Haltung. Er sieht zwar Verbindungen nach Italien, lässt aber auch die Gegenargumente nicht außer Acht. So fehlen in Seeland etwa die für Italien und die norddeutschen Backsteinbauten so typischen Kreuzbogenfriese und auch aus historischer Sicht waren die dänischen Verbindungen zu Norditalien in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts weit weniger ausgeprägt als im staufischen Deutschland. Insgesamt ist die Argumentationsweise Nawrockis ausgewogen, er referiert bei strittigen Standpunkten die unterschiedlichen Argumentationsweisen recht ausführlich und bietet dem Leser dadurch die Möglichkeit, sich seine eigene Meinung zu bilden …
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Christofer Herrmann, in: sehepunkte 12 (2012)

 

Es ist eine alte Streitfrage, inwieweit der Einfluss des frühen dänischen Backsteinbaus auf den Kirchenbau an der südlichen Ostseeküste Einfluss genommen hat und ob es sich um eine eigenständige dänische Leistung oder um einen »Transfer« vom Festland gehandelt hat. Um es vorweg zu nehmen: Der Autor spricht sich zwar für eine eigene dänische Leistung aus, will aber italienische Anregungen nicht ausschließen. Die Anfangsgründe des romanischen Backsteinbaus liegen in der Mitte des 12. Jahrhunderts, und zwar unabhängig voneinander in der Altmark, in Brandenburg, in Nieder- und Obersachsen, in Ostholstein und auf der dänischen Insel Seeland.
Im Jahre 1104 wurde Lund zum Erzbistum für die acht dänischen Bistümer erhoben, und der sich durchsetzende Kirchenzehnt wurde zu einem Drittel für den Bau und die Unterhaltung der Kirchen verwendet. Pommern wurde 1185 dänisches Lehen, und die Rügenfürsten standen bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1325 unter dänischer Lehnsherrschaft. Insofern zählten damals Mecklenburg, Pommern und Rügen zum dänischen Einflussgebiet.
Eine spezifisch dänische Backsteinarchitektur entstand auf Seeland, dem Zentrum der königlichen Macht und dem Sitz des Bischofs von Roskilde. Noch im 12. Jahrhundert beeinflusste sie nicht nur den Kirchenbau zum Beispiel in Bergen auf Rügen, nachdem Rügen bereits 1169 auf einem Kreuzzug der Dänen gegen die Ranen erobert wurde. Dieser Architekturstil hat auch Kirchen in Jütland, Schonen (einst dänisch, dann schwedisch), auf Fünen, in Kolbatz, Dargun, Eldena und Oliva beeinflusst. Hier begegnen die dänischen Formen dem spezifisch norddeutschen Backsteinbaustil, dessen initiale Bauten mit den Namen Jerichow, Brandenburg, Ratzeburg und Lübeck verknüpft sind. In der Folge kam es zur Überlagerung der Stile auf Jütland, Schonen, Fünen und auf den Inseln Lolland und Falster.
Detailliert weist der Autor in seiner Kieler Dissertation – insbesondere durch seinen 186 Seiten umfassenden Katalog der Bauwerke – den dänisch/seeländischen Einfluss auf 29 größere Kirchen nach. Dazu geht er vorbereitend auf das Baumaterial, die Formensprache des romanischen, speziell des seeländischen und des jütischen Backsteinbaus, aber auch auf Gewölbe ein. Sehr hilfreich ist für den nichtdänischen Leser der kurz und bündig geschilderte historische Rahmen vom 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts.
Der aktuelle Stand der Forschungen zur frühen romanischen Backsteinarchitektur wird klar herausgearbeitet, die in den letzten 150 Jahren von sich widersprechenden Thesen über den Einfluss des dänischen Backsteinbaus – speziell der Waldemarzeit – geprägt war. Mit Katalog, 16 Seiten Literaturverzeichnis und 12 Seiten Ortsregister – fast ein Nachschlagewerk.
Der Autor hat den systematischen Nachweis für den Einfluss Seelands auf die Backsteinbauten in Jütland, Schonen und den südlichen Ostseeraum erbracht, womit die eingangs genannte alte Streitfrage nunmehr als entschieden gelten darf. Damit wurde ein essentieller Beitrag über den kulturellen Einfluss Dänemarks auf den südlichen Ostseeraum erbracht, der bekanntlich umfassender war. Hier sei nur auf den rechtlichen Einfluss hingewiesen. Auf der Insel Rügen, das kirchlich bis zur Reformation zum Bistum Roskilde gehörte, galt nicht nur wendisches (slawisches) und Schweriner (Land-)Recht, sondern auch dänisches Recht. Das ergibt sich eindeutig aus dem wieder aufgefundenen Original des Rügischen Landrechtes aus dem Jahre 1522. Ob es sich dabei um seeländisches Recht handelt, das uns als jüngere und ältere Fassung aus dem 12./13. Jahrhundert überliefert ist, muss die weitere Forschung ergeben.
Es gibt auf Rügen weitere kleinere Kirchen wie in Altenkirchen, Sagard, Schaprode, die durch die dänische Backsteinkunst beeinflusst wurden und schon ein frühgotisches Gepräge haben. Auf sie wurde bewusst nicht eingegangen, denn das ist schon wieder ein neues, vielversprechendes Thema.
Dieter Pötschke, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 2011