Dagmar Sommer

Fürstliche Bauten auf sächsischen Medaillen

Studien zur medialen Vermittlung landesherrlicher Architektur und Bautätigkeit

 

Sachsen, so möchte man glauben, also über Sachsen ist so ziemlich alles geschrieben, was man sich nur vorstellen kann. Gerade für Sachsen gibt es hervorragendes Katalogmaterial, und trotzdem ist das neue Buch von Dagmar Sommer eine echte Bereicherung, nicht nur für einen Sachsen-Liebhaber, sondern für jeden Medaillenfreund. Die Autorin führt uns nämlich in den höfischen Hintergrund ein, auf dem die Medaillen überhaupt erst entstehen konnten.
Entstanden ist die Arbeit als Dissertation im Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. In Zusammenhang mit dem Projekt »Architektur, Hof und Staat – Der Schloß- und Residenzbau in Thüringen 1600–1800« fand die Autorin ihr Thema. Und so ist die Numismatik für einmal nicht der Fokus, sondern der Ausgangspunkt einer Arbeit, die den sozialen Hintergrund, auf dem Medaillen geplant, verschenkt und empfangen wurden, deutlich macht.
Nach einer kurzen Einführung ins Thema wendet sich die Autorin den einzelnen sächsischen Gebäuden zu, die auf einigen Münzen und vielen Medaillen abgebildet werden. Sie gibt Details zur Baugeschichte und rekonstruiert genau, während welcher Bauphase der Fürst die Prägung in Auftrag gab und wie die Darstellung gestaltet wurde. Besonders wenn ein Schloß erst im Rohbau existierte, mußte ja bei der Gestaltung der Abbildung berücksichtigt werden, daß es noch Änderungen im Bauplan geben konnte. So findet sich denn auch ein Kapitel zur Realität von Schloßdarstellungen. Natürlich wurden in Sachsen nicht nur Schlösser gebaut. Es gibt ein Kapitel zu Kirchen, Zweckbauten für soziale Einrichtungen und Bildungsstätten, sogar zu Stadtansichten.
Ein Katalog mit 143 Einträgen am Ende des Buches ergänzt diesen beschreibenden Teil und macht die Publikation zu einem »Muß« für jeden Bücherschrank, der zur Katalogerstellung benutzt wird. Der Katalog folgt dem Text, und so sind die einzelnen Gebäude zusammengestellt, gelegentlich ergänzt durch einen Kupferstich. Jedes Stück ist genau beschrieben, alle lateinischen Inschriften sind ins Deutsche übersetzt. Gelegentlich ergänzen Anmerkungen die Beschreibung.
Wären die beiden ersten Teile schon genug für eine Empfehlung, so macht das Kapitel »Distribution, Rezeption und politischer Anspruch – Aspekte der medialen Vermittlung landesherrlicher Architektur« die Arbeit zu etwas ganz besonderem. Wer weiß denn schon, wie der Landesherr seine Medaillen unter seine Gäste brachte? Dagmar Sommer recherchiert: »Die Austeilung der Gedenkmünzen und Medaillen erfolgte in aller Regel während der Festveranstaltung, etwa beim Festmahl an der Tafel oder zum Abschluß der zeremoniellen Handlungen.« Sie weiß von speziellen Ausgabelisten, auf denen diejenigen verzeichnet waren, denen der Fürst eine Medaille zukommen ließ. Anhand der archivalischen Quellen rekonstruiert die Autorin die gesellschaftlichen Situationen, in denen die Medaillen eine Rolle spielten. Sie überschreitet dabei den sächsischen Horizont, gibt Beispiele von anderen Höfen, wie zum Beispiel von Versailles, wo sich Liselotte von der Pfalz als rege Sammlerin Medaillen aus ganz Europa zuschicken ließ.
Schon damals gab es übrigens einen regen Handel mit den sächsischen Medaillen, die auf der Leipziger Messe käuflich erworben werden konnten. Der Medailleur Wermuth bot zum Beispiel seine Prägungen in speziellen Verkaufskatalogen an, in denen er die Preise der Stücke in Gold, Silber, Kupfer und Zinn auflistete.
Es folgen Überlegungen, wie der Herrscher mittels Medaillen die Rezeption seiner Bauprojekte steuerte. Zu diesem Zweck geht die Autorin auf frühe numismatische Werke wie den Tentzel ein und stellt ihn der französischen Histoire métallique Ludwigs XIV. gegenüber.
Diese Kapitel sollten Pflichtlektüre für jeden Medaillensammler sein, denn sie führen ihn an den Zweck dieser herrscherlichen Prägungen. Man darf der Autorin gratulieren. Sie hat als Nicht-Numismatikerin eine Publikation geschaffen, bei deren Lektüre jeder Numismatiker etwas lernen kann.
UK, in: MünzenRevue, 41. Jahrg. (2009), Nr. 7/8.