Andreas Graf (Hg.)
Anarchisten gegen Hitler
Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil

 

Zur Geschichte des Widerstandes sozialistischer Kleingruppen jeglicher Provenienz gegen das nationalsozialistische Regime gibt es mittlerweile zwar einige Überblicksdarstellungen, allerdings mangelt es weiterhin an detaillierten regionalen und lokalen Untersuchungen. Auch die von Andreas Graf […] herausgegebenen und für die Publikation überarbeiteten Beiträge einer von der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte der Freien Universität Berlin und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin im Mai 1997 organisierten Tagung führen diesbezüglich, abgesehen von zwei biographischen Beiträgen von Hartmut Rübner über den Delmenhorster Anarchisten Wilhelm Schroers und von Tania Ünlüdağ über die Wuppertaler Brüder Brenner, nicht weiter. Neben diesen beiden Texten beschäftigen sich nur noch zwei weitere mit dem deutschen anarchistischen Widerstand im engeren Sinne, wobei der einleitende Text von Hartmut Rübner zur »Analyse des Nationalsozialismus durch deutsche Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten« eher die Vorgeschichte thematisiert und dabei zu dem Ergebnis kommt, daß die deutschen Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten allenfalls über eine fragmentarische Faschismusanalyse verfügten und »die maßgeblichen Instanzen der FAUD« zu allem Überdruß »sowohl die Effizienz des polizeilichen Verfolgungsapparates als auch ihre eigene Bedeutung« falsch einschätzten und somit »keine konkreten Vorgehensweisen und Verhaltensmaßregeln« vorgeben konnten. Der daran anschließende Text über »Selbstbehauptung und Widerstand deutscher Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten« von Andreas Graf faßt im wesentlichen die Ergebnisse der zu diesem Thema vorliegenden Sekundärliteratur zusammen. Es folgen zwei englischsprachige Beiträge von Dave Berry über »Resistance and Collaboration« der französischen anarchistischen Bewegung in den Jahren 1939 bis 1945 und von Ronald Creagh über »Italian anarchist’s war against fascism«, einmal mehr ein Beitrag von Dieter Nelles über den Widerstand der »Internationalen Transportarbeiter-Föderation« sowie Beiträge von Gerd-Rainer Horn über »Lebensbedingungen und Realitätskonstruktionen ausländischer Sympathisanten der katalanischen Revolution« und Reiner Tosstorff über den »spanischen Anarchismus nach 1939 in der französischen Resistance und im innerspanischen Widerstand«. Abgeschlossen wird der Band mit zwei biographischen Beiträgen zu den Rätekommunisten Jan Appel (Hubert van den Berg) und Karl Plättner (Knut Bergbauer) sowie einem ganz aus dem thematischen Rahmen herausfallenden Beitrag von Günter Wernicke über »Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und die deutschen Trotzkisten in den 1950er Jahren«. Auch wenn man die einzelnen Beiträge des Bandes mit durchaus unterschiedlichem Gewinn lesen kann, muß man leider festhalten, daß der Titel Erwartungen weckt, die in dieser Form von den meisten Texten nicht erfüllt werden; bezweifelt werden darf auch, ob man den hier gemeinten anarchistischen und linksradikalen Widerstand ohne weiteres unter den ideologisch hochgradig besetzten Begriff »Menschenrechtsbewegung« subsumieren sollte.
Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Heft 17, 2003, S. 783/784.

 

Das stark fraktionierte internationale linkskommunistische Spektrum der 30er Jahre ist dem Publikum allenfalls durch die Person des Reichstagsbrandstifters Marinus van der Lubbe ins Bewußtsein getreten; über Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten, ihr Engagement gegen den Nationalsozialismus und andere faschistische Bewegungen herrscht über den kleinen Kreis von Spezialisten hinaus weitgehend Unkenntnis. Zu begrüßen ist daher der aus einer Konferenz 1997 an der Gedenkstätte deutscher Widerstand hervorgegangene Sammelband, der Auskunft gibt über die politische Reaktion organisierter Anarchisten und Syndikalisten in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich, ihren Widerstand gegenüber der Hitlerdiktatur und den faschistischen Regimes. Die organisations- und ideengeschichtlichen Beiträge werden exemplifiziert durch biographische und mentalitätsgeschichtliche Studien, die den drei Wuppertaler Brüdern Brenner (in einer sehr elaborierten Arbeit, die dankenswerterweise auch deren Nachkriegsschicksale thematisiert), dem Delmenhorster Anarcho-Syndikalisten Wilhelm Schroers, dem Rätekommunisten Jan Appel und Karl Plettner, dem linkskommunistischen Sozialrebellen und mitteldeutschen Bandenführer der 20er Jahre, gewidmet sind. Der letzte Beitrag des Bandes beschreibt den »operativen Vorgang Abschaum«, die Verfolgung deutscher Trotzkisten in der gerade gegründeten DDR durch das Ministerium für Staatssicherheit. Gestützt auf die Unterlagen der Gauck-Behörde wird das Problem der Unterdrückung auch marxistischer Kritik im Kontext des Kalten Krieges der 50er Jahre an Beispielen verdeutlicht, die zeigen, daß die Zeit von Widerstand, Exil und Verfolgung nicht mit dem Untergang des NS-Regimes endete. Die informativen Beiträge des Bandes beleuchten einzelne Aspekte des Themas und sind über den engen Spezialistenkreis hinaus willkommen, der Rote Faden ist wie bei manchen Konferenzbänden nicht durchgehend erkennbar. Diese Feststellung bedeutet jedoch keine Abwertung. Wolfgang Benz in »Das Historisch-Politische Buch«, Heft 3/2003, S. 280f.

Elf auteurs behandelen kritisch de manier waarop anarchisten, syndicalisten, trotskisten, radencommunisten en onafhankelijke figuren zich te weer stelden in Italië, Duitsland, Spanje, Frankrijk en ook Nederland. Over de Nederlander Jan Appel, die erg actief was in het verzet in de oorlog. Andere artikelen over de afwerende houding zowel tegen Oost als (Vrij) West, terwijl de opkomst van het fascisme en nazidom scherp geanalyseerd wordt. Het laatste artikel van Gunter Wernicke gaat over de systematische vervolging van trotskisten in de DDR. Ernest Mandel b.v. wird afgeschildered als collaborateur en CIA-agent. Ook veel voorbeelden van solidariteit en vindingrijkheid en anekdotes en over het dagelijkse leven in Barcelona ten tijde van de Spaanse revolutie. Goed boek! W. Mulder in »Harlinger Courant« vom 25.03.2003

Zu den »weißen Flecken« in der Widerstandsgeschichte mit einer »akademisch gebremsten Forschung« sowohl in Ost als auch in West zählt Andreas G. Graf die Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten und Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Der von Graf herausgegebene Band versammelt zwölf Beiträge einer Tagung der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte an der FU Berlin und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin 1997 und versteht sich als »Bestandsaufnahme von anarchistischen Organisationen, Milieus sowie subjektzentrierten, lebensgeschichtlichen Prägungen«. Die überwiegend das europäische Ausland betreffenden Untersuchungen umfassen die Weimarer Zeit bis in die 1950er Jahre in der DDR. Für die deutschen Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten stellt Hartmut Rübner fest, es habe schon in der Weimarer Zeit bezüglich des Nationalsozialismus als Erscheinungsform des Faschismus nicht an »hellsichtigen Prognosen« gemangelt, doch seien die Kassandrarufe ungehört geblieben. Andreas G. Graf macht darauf aufmerksam, daß die sozialhistorische Dimension dieser Widerstandsgruppierungen noch nicht erforscht sei. Bedenkt man, daß 1919 die »Freie Arbeiter-Union Deutschlands« (FAUD), die sich als »Sozialrevolutionäre Klassenkampf-Organisation und radikale Kulturbewegung« verstand, 111.675 Mitglieder zählte, zwei Jahre später 150.000, 1932 aber nur noch 4307 Mitglieder, so wären sozialgeschichtliche Untersuchungen tatsächlich für die Weimarer Phase und die nachfolgende Zeit unter der Diktatur aufschlußreich. Mit den biographischen Zugängen, die Rübner, Taniä Ünlüdag und Knut Bergbauer liefern, dürfte ein Einstieg gemacht worden sein. Für das Widerstandsverhalten der FAUD-Mitglieder stellt Graf fest, sie hätten schon seit 1932 Formen illegaler Arbeit beraten und daher 1933 auch entscheidende Vorbereitungen getroffen. Bis 1937/38 aber waren auch diese Gruppierungen zerschlagen, deren Aktivitäten sich auf das Verbreiten ihres Schrifttums, das Verteilen von Flugblättern, die praktische Solidarität für Inhaftierte und deren Familien und Hilfen zur Flucht zentriert hatten. Danach habe man in »pragmatischer Nüchternheit« die »Risiken eines wenig erfolgversprechenden Märtyrertums« erkannt und versucht, »in passiver ›Resistenz‹ das Überleben der Bewegung und ihres Gedankengutes zu sichern. Es ging um Bewahrung der Tradition, der Gesinnung und des Zusammenhalts«. Antonia Leugers in »Neue Politische Literatur«, Heft 2/2002, S. 267