Vinzenz Czech

Legitimation und Repräsentation
Zum dynastischen Selbstverständnis thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der frühen Neuzeit (= Schriften zur Residenzkultur, Bd. 2)

Während sich die Hof- und Adelsforschung zur Vormoderne lange Zeit überwiegend mit den bedeutenden königlichen und kurfürstlichen Dynastien beschäftigt hat und die­se als Referenzgrößen bei der Beurteilung fürstlicher Politik und Selbstdarstellung be­trachtete, gerieten zuletzt immer häufiger die kleineren, mindermächtigen Familien des hohen Adels und damit die starke Ungleichheit und Rangdifferenzierung innerhalb des Fürstenstandes in den Blick der Historiker. Zugleich gab eine kulturgeschichtliche Neujustierung der Fragerichtungen und Interpretationsansätze, etwa in Bezug auf die Wirksamkeit des Hofzeremoniells und zeichenhafter Kommunikationsakte bei der Konstituierung von Rang oder die Bedeutung fürstlicher Erinnerungskultur im Rahmen dynastischen Selbstverständnisses und herrschaftlicher Repräsentation, zahlreiche Im­pulse für die Beschäftigung mit der komplexen Adelsgesellschaft des Alten Reiches. Gleichwohl sind diesbezüglich nach wie vor zahlreiche weiße Flecken in der regiona­len Forschung zu konstatieren. Im mitteldeutschen Raum galt die Aufmerksamkeit vorwiegend den Wettinern, den Hohenzollern und (neuerdings verstärkt) den Anhaltinern, während die vor allem im Thüringischen und am Harz ansässigen reichsunmittel­baren Grafen- und Herrengeschlechter weniger Beachtung fanden. Diese Forschungslücke wird nun durch die Potsdamer Dissertation von Vinzenz Czech geschlossen, die sich dem Selbstverständnis und den Strategien der Statusbehauptung der thüringisch-sächsischen Reichsgrafen widmet. Damit gerät eine Gruppe in den Blick, die einerseits ihre Selbständigkeit und Reichsstandschaft gegenüber den Mediatisierungsversuchen der regionalen Hegemonen (v. a. der Albertiner in Dresden, z. T. auch der Ernestiner) verteidigen und sich andererseits gegen die durch Standeserhöhung neu in den Grafen­rang aufgestiegenen Geschlechter im Reich absetzen musste. Der Autor gliedert seine Untersuchung dabei in vier Komplexe: die Ausgestaltung dynastischer Erinnerung, die Heiratspolitik, die Bemühungen um Rangerhöhung sowie die gegenseitige Wahrneh­mung und Kontakte in der höfischen Sphäre. Da von den ursprünglich 17 Geschlech­tern der Großteil im Laufe der Frühen Neuzeit ausstarb, konzentriert sich die Arbeit vor allem auf die bis 1800 überlebenden Schwarzburger, Reußen, Stolberger und Schönburger; jedoch werden in einzelnen Zusammenhängen auch weitere Familien (Henneberg, Mansfeld, Barby, Kirchberg) ausführlicher behandelt.

Der erste Teil verdeutlicht die große Bedeutung des Ahnengedächtnisses und der dynastischen Erinnerungsstrategien für das ständische Selbstverständnis und die Herr­schaftslegitimation der Grafen und Herren. Analog zu den reichsfürstlichen Dynastien entstanden verstärkt seit dem 16. Jahrhundert im Umfeld der Höfe genealogische Wer­ke, die das hohe Alter und die vornehme Abstammung betonten. Die Ursprungsmythen verwiesen vielfach auf den römischen Adel (v. a. die Colonna) oder das Umfeld Karls des Großen, da auf diese Weise eine Gleichrangigkeit mit den fürstlichen Geschlech­tern historisch begründbar war. Trotz gewisser Unterschiede in der Intensität der Bemü­hungen und einer bei den Grafen seltener erkennbaren Tendenz, Mythen der römischen Abstammung im Laufe der Zeit zu »germanisieren«, erwies sich die Erinnerungspolitik im ganzen als fürstenadäquat. Wenig überraschend dürfte dabei sein, dass in dynasti­schen Krisensituationen und während des Ringens um Standeserhöhungen verstärkt auf die Argumentation mit Herkunft und historischer Größe zurückgegriffen wurde. Folge­richtig ist ebenso, dass die genealogischen Konzepte auch in der Gestaltung von Grab­legen, Epitaphien und Herrschaftslogen in den Kirchen sowie Ahnengalerien in den Schlössern zum Ausdruck kamen, wie Czech detailreich zeigt. Hier konnte, wie bei den gräflichen Leichenbegängnissen, die prätendierte Stellung als fürstengleiche Lan­desherren ikonographisch und rituell einem größeren Publikum vor Augen geführt werden.

Der zweite Teil analysiert die reichsgräfliche Heiratspolitik in ihrer Wirkung auf die Generierung von Rang. Hierzu werden die Eheschließungen der Gesamtgruppe wie der einzelnen Grafengeschlechter ausgezählt und zwischen fürstlichen, gräflichen und niederadligen Partnern unterschieden. Die durch ein solches klares Raster und errech­nete Prozentangaben suggerierte feste Rangabstufung erweist sich als nicht unproble­matisch, denn auch innerhalb des Fürstenstandes und in den Überlappungszonen zu den Grafen und Herren waren die Ränge nicht statisch, sondern Gegenstand kontinuier­licher Aushandlungsprozesse, wie auch dem Autor bewusst ist. Schließlich machte es für den »Prestigezuwachs« sicher einen Unterschied, ob die fürstliche Gattin eines Gra­fen einer unbedeutenden Nebenlinie und einer unstandesgemäßen Verbindung ent­stammte oder Tochter eines regierenden Fürsten war. Hier sind immer wieder Kontextualisierungen der einzelnen Fälle notwendig. Gleichwohl werden die Tendenzen und die unterschied­lichen Erfolge der konnubialen Strategien deutlich herausgearbeitet: Während die Schwarzburger zunehmend Heiratspartner bei den Anhaltinern in Bernburg und den Ernestinern in Saalfeld und Weimar fanden und sich damit dauerhaft in fürstlichen Heiratskreisen und Verwandtschaftsnetzen etablieren konnten, setzten die Stolberger Grafen auf Eheschließungen mit anderen reichsgräflichen Familien. Die Grafen von Schönburg hatten im 18. Jahrhundert hingegen große Schwierigkeiten, ein standesge­mäßes Konnubium aufrechtzuerhalten. Ihnen blieben neben Heiraten innerhalb des ei­genen Geschlechts fast ausschließlich Ehepartner aus dem benachbarten Landadel.

Der dritte Teil beschäftigt sich unter der Überschrift »Rangerhöhung und Repräsen­tation« mit der Rolle von Titeln und Statussymbolen im Ringen um Prestige und Rang. Vor allem im Bezug auf Standeserhöhungen und kaiserliche Gnadenakte werden viele neue Erkenntnisse und differenzierte Einschätzungen präsentiert. Während im 17. Jahr­hundert die Herren von Reuß und Schönburg in ihrem Bewusstsein um altes Herkom­men und reichsunmittelbare Stellung eine förmliche Erhebung in den Grafenstand er­folgreich durchsetzten, um Präzedenzkonflikte mit landsässigen Grafenfamilien zu vermeiden, wurde die Frage einer kaiserlichen Fürstung der Grafen im 18. Jahrhundert durchaus kontrovers beurteilt. Da der Titel allein nicht viel bedeutete, wenn die Intro­duktion in den Reichsfürstenrat und eine zeremonielle Besserbehandlung durch die Stan­desgenossen nicht zu erwarten waren, zudem ein entsprechendes Diplom viel Geld ver­schlang, lehnten einige Grafen eine solche Statusbesserung ab und blieben lieber »alte Grafen« als »neue Fürsten«. Auf anderem Gebiet wurde aber durchaus Rang demonst­riert: Schlossbau, Heraldik, Leibgarden, Münzprägung, Mäzenatentum und Festkultur fungierten als Herrschaftszeichen bzw. Ausdrucksformen ständischen Selbstverständnis­ses, das sich an fürstlichen Höfen orientierte. Dass die geringeren materiellen Grundlagen der Grafen dabei Grenzen setzten, wird mehrfach en passant angesprochen.

Der vierte Teil fragt schließlich danach, in welchem Ausmaß und in welchem Rahmen die dynastische Selbstdarstellung ihre Adressaten, die Grafen und Fürsten des Reiches, erreichte. Der Autor untersucht dazu die Fourierzettel und Tagebücher einzel­ner Höfe, wodurch die Beobachtungen einen eher episodenhaften Charakter erhalten. Zudem sind die Ergebnisse erstaunlich bescheiden: Die untersuchten Grafen hatten kaum Kontakte zu bedeutenderen Fürsten; die wenigen Besucher der Höfe beschränk­ten sich auf den Kreis der engeren Verwandten und einiger benachbarter Standesge­nossen. Lief der große Aufwand, der im Schlossbau, den Ahnengalerien und Grablegen zum Ausdruck kam, also ins Leere? Die Untersuchung der alltäglichen Kontakte der Grafen kann sicherlich nur eine erste Annäherung an die Frage nach den Rezeptions­bedingungen dynastischer und herrschaftlicher Repräsentation darstellen. Versteht man die Konstituierung von adligem Rang als einen kontinuierlichen Aushandlungs- und Kommunikationsprozess, der auch die Probleme der Titulaturen, Eheschließungen und des Zeremoniell umfasste, weisen bereits die Ergebnisse der ersten Kapitel des Buches in eine andere Richtung. Zur genaueren Wahrnehmung des reichsgräflichen Selbstver­ständnisses an anderen Höfen müsste zudem der Bereich der thüringisch-sächsischen Dynastien verlassen werden, was den Rahmen dieser Arbeit jedoch zweifellos ge­sprengt hätte. Vinzenz Czech hat mit seiner Dissertation eine Arbeit vorgelegt, die – auf umfänglicher Quellenarbeit aufbauend – erstmals entscheidende Einblicke in die Repräsentations- und Legitimationsstrategien der thüringisch-sächsischen Reichsgrafen ermöglicht und in ihrer vergleichenden Analyse die Differenzen in den Voraussetzun­gen und im Erfolg ständischen »Obenbleibens« plastisch herausstellt. Trotz der Materi­alfülle ist dabei ein nicht nur ansprechendes, mit vielen Illustrationen, Quellenanhang und Register ausgestattetes, sondern auch ein spannendes und hervorragend zu lesen­des Buch entstanden.

Michael Hecht in »Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt«, Bd. 25 (2007).

 

 

Das »dynastische Selbstverständnis der thüringisch-sächsischen Reichsgrafen in der Frühen Neuzeit» hat Vincenz Czech zum Thema seiner Studie über Legitimation und Repräsentation gemacht. Die untersuchte Sozialformation stellt zwar ein Pendant zu den Grafen in der Wetterau, in Franken und im rheinisch-westfälischen Gebiet dar, zu denen neuere Studien vorliegen. Czechs Arbeit wendet sich aber nicht nur einem anderen Raum zu. Sie eröffnet einerseits für die Grafen des Obersächsischen Reichskreises erstmals eine vergleichende Perspektive, die sich die ältere Historiographie durch die Landesgrenzen des 19. Jahrhunderts verstellen ließ. Auch neuere Arbeiten entstanden bislang lediglich zu einzelnen Geschlechtern. Zudem greift Czech sein Thema Im Vergleich zu den jüngeren Studien über Grafen- und Herrengeschlechter anderer deutscher Landschaften in innovativer Weise auf, denn seine Arbeit ist nicht politikhistorisch-verfassungsrechtlich angelegt, und sie widmet sich ebensowenig den Problemen von Familie und Verwandtschaft Vielmehr fragt sie nach der dynastischen Selbstdarstellung, die den frühneuzeitlichen Grafen- und Herrengeschlechtern dazu diente, mittels »Ahnengedächtnis, Verwandtschaft, Rangfragen und Repräsentation« ihre politischen Ansprüche auf Unabhängigkeit und Selbständigkeit durchzusetzen.
Zeitlich sind die Koordinaten der Studien plausibel gewählt. Die Analyse beginnt mit der Herausbildung reichsweiter Strukturen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, die sich für die Untersuchungsgruppe beim Wormser Reichstag des Jahres 1521 gut fassen läßt, als eine Matrikel für die Aufbringung des Reichsheeres u. a. die reichsständischen Grafen und Herren des Obersächsischen Reichskreises auflistete. Ihr Ende erreicht die Arbeit mit dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803, der die rechtliche Lage für viele kleinere Herrschaftsträger dramatisch veränderte. Für die siebzehn Familien waren die ausgewählten Jahrhunderte eine durchaus turbulente Zeit. Denn nur fünf der siebzehn Familien existierten in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch. Das Ende des Alten Reiches erlebten lediglich die Familien Schwarzburg, Stolberg, Reuß und Schönburg. Vor allem ihnen widmet sich die Studie - schon aus rein pragmatischen Gründen.
Der Hauptteil des Buches ist in vier Kapitel gegliedert: »Dynastie und Vergangenheit«, »Erhaltung von Stamm und Namen – Gräfliche Heiratspolitik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, »Rang und Repräsentation« sowie »Magnifizienz und Wahrnehmung«. Czech gibt jeweils einen an der überregionalen Forschung zum Mittelalter und der Frühen Neuzeit orientierten Deutungshorizont des betreffenden Kapitels. Dann analysiert er für sein Thema die einschlägige Überlieferung und resümiert die Resultate. Es gelingt dem Verfasser auf diese Weise für eine wenig bekannte frühneuzeitliche Adelsformation ein grundlegende Arbeit zu schreiben, deren Relevanz über die sächsisch-thüringische Geschichte hinausreicht und auf die künftig immer wieder zurückzukommen sein wird.
Czech kann überzeugend darlegen, daß die von ihm untersuchten Grafen- bzw. Herrengeschlechter ihre dynastische Selbstdarstellung im Verlaufe der Frühen Neuzeit intensivierten.
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Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von Czechs Studie über die Strahlkraft der gräflichen Höfe.
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Das von Czech erstmals vermessene Feld des dynastischen selbstverständnisses macht Hoffnung auf weitere Forschungen…
Aus Josef Matzerath, Dresden in »Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte», Band 58/2004, S.312–314

 

[…] Czech beschäftigt sich mit dem »Selbstverständnis thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der Frühen Neuzeit«, wobei die bis zum Ende des Alten Reiches überlebenden Häuser Schwarzburg, Stolberg, Reuß und Schönburg im Mittelpunkt stehen, aber auch Mansfelder, Henneberger oder die weitgehend unbekannten Burggrafen von Kirchberg berücksichtigt werden. In vier Abschnitten nähert er sich seinem Thema, die sich grob unter den Stichworten Memoria, Konnubium, Rangerhöhungen und höfische Kontakte fassen lassen.
Auch für die hier behandelten Familien zeigt sich das 16. Jahrhundert als die Zeit, in der verstärkt die Selbstvergewisserung durch Familiengeschichte gesucht wurde, am ehesten bei den Hennebergern und Reußen, die bereits im 15. Jahrhundert einen Herkunftsmythos besaßen, zuletzt bei den Herren von Schönburg, wo Bemühungen um eine Familiengeschichte erst im 17. Jahrhundert greifbar werden. Wie im Falle der Anhaltiner, so forcierte auch hier die Notwendigkeit, die eigene Stellung gegenüber übermächtigen Nachbarn behaupten zu müssen, eine solche Entwicklung. Im Wettbewerb mit den benachbarten Fürsten war es von Vorteil, wenn man wie die Schwarzburger oder die Mansfelder einen »Kaiser« in der Ahnenreihe vorweisen konnte. Waren somit schon die Ausgangsbedingungen durchaus unterschiedlich, so differenzierten sich die Verhältnisse unter den behandelten Grafen- und Herrenfamilien im Verlauf des 17. Jahrhunderts noch einmal. Durch das Aussterben einer Reihe von Geschlechtern war es in der Region schwieriger geworden, gleichrangige Heiratspartner zu finden; zudem hatte der konfessionelle Gegensatz den Heiratsmarkt weiter eingeschränkt. Während es den Schwarzburgem und teilweise auch den Stolbergern gelang, in Verbindungen mit kleineren Fürstenhäusern zu treten oder nachgeborene Kinder von Fürsten zu ehelichen, hatten die Reußen und Schönburger sichtliche Mühe, standesgemäße Ehepartner zu finden und verbanden sich häufiger mit niederadligen Familien – nicht zuletzt eine Folge der durch zahlreiche Teilungen verminderten materiellen Grundlagen vieler Linien. Ein Vergleich mit den benachbarten Fürstenhäusern zeigt, daß sich vergleichbare Probleme auch bei den Anhaltinern stellten, die schon im 16. Jahrhundert ihre Ehepartner zu einem nicht geringen Teil in Grafen- und Herrenfamilien fanden, während die ernestinischen Wettiner erst nach 1650 gezwungen waren, außerhalb des Fürstenstandes zu heiraten.
Noch von einer anderen Seite gerieten die alten Grafen- und Herrenfamilien im 17. Jahrhundert unter Druck: Durch vermehrte Grafungen landsässiger, vor allem österreichisch-erbländischer Familien begann das Prestige des Grafen- und Herrenstandes zu sinken, so daß sich einzelne Geschlechter um eine Standeserhöhung bemühten. Allerdings zeigt das Beispiel der Schwarzburger, daß mit einer Fürstung seitens des Kaisers noch lange keine soziale Gleichberechtigung mit den altfürstlichen Familien verbunden war, so daß um 1700 einzelne Vertreter ihnen angebotene Standeserhöhungen ablehnten. Letztlich aber waren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts alle überlebenden Familien zumindest teilweise in den Fürstenstand erhoben worden.
Czech betrachtet jedoch nicht nur die gleichsam abstrakten Fragen nach Rang und Stand, sondern – wie schon im Titel angedeutet – auch ihre Konkretion vor Ort, in Grabdenkmälern, Bauwerken und höfischem Glanz, in der Förderung der Künste und im Zeremoniell. So stellt sich schließlich die Frage nach dem Adressaten der Repräsentation oder, enger gefragt: Nahmen Standesgenossen oder Höherrangige die Bemühungen der behandelten Geschlechter um standesgemäßes Auftreten überhaupt wahr? Die Antwort des Verfassers ist eher ernüchternd. Selbst zu größeren familiären Anlässen wie Hochzeiten oder Begräbnissen reichte der Kreis der tatsächlich anwesenden Personen nur selten über die direkte Verwandtschaft hinaus. Besuche fürstlicher Personen an gräflichen Höfen kamen fast ausschließlich aus verwandtschaftlichen Beziehungen heraus zustande, während Treffen an neutralen Orten, etwa in der Stadt Leipzig, eine unproblematischere Form der Kontaktpflege darstellten.
So zeigt sich letztlich im Verlauf der Frühen Neuzeit zwischen den thüringisch-sächsischen Grafen- und Herrenfamilien eine erhebliche Differenzierung. Während die Schwarzburger, die freilich auch über eine gute Ausgangsposition verfügten, den altfürstlichen Geschlechtern, jedenfalls den mindermächtigen wie den Anhaltinern und den ernestinischen Wettinern, recht nahe kamen und auch einen Sitz im Reichsfürstenrat erlangen konnten, waren die Schönburger trotz ihres fürstlichen Titels den landsässigen Geschlechtern sehr nahegerückt.
All dies wird von Vinzenz Czech auf einer breiten Materialgrundlage anhand von zahlreichen Fallbeispielen überzeugend und auch kurzweilig dargelegt. Freilich sind Legitimation und Repräsentation aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere bilden die realen territorialen und finanziellen Grundlagen der einzelnen Familien, die dann doch letztlich über einen erfolgreichen sozialen Aufstieg entschieden. Auch dieser Aspekt wird, obwohl er im gegebenen Rahmen nicht weiter ausgeführt werden konnte, vom Autor durchaus nicht vergessen. Ein wenig bedauert der Rezensent, daß die Grafen von Mansfeld nicht stärker in die Untersuchung einbezogen wurden, gerade weil ihre Entwicklung um einiges anders als die der behandelten Geschlechter verlief und sie letztlich schon im 16. Jahrhundert finanziell gescheitert waren. Gab es dennoch Bemühungen, die ständische Qualität zu wahren? War der Weg der Linie Bornstedt an den Kaiserhof, der kurz vor dem Ende des Geschlechts noch zur Fürstung führte, eine gezielte Strategie oder ist sie aus einer individuellen Neigung zu erklären? Doch schmälert dieser nicht erfüllte Wunsch den Wert der vorliegenden Arbeit in keiner Weise. […]
Michael Scholz, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 50/2004, S. 413–419

 

Mit dieser vorzüglichen und opulent ausgestatteten Studie, einer Potsdamer Dissertation, liegt nunmehr eine erste übergreifende Darstellung zum dynastischen Selbstverständnis mindermächtiger Herrschaftsträger im frühneuzeitlichen mitteldeutschen Raum vor. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen mit Schwarzburg, Stolberg, Reuß und Schönburg diejenigen Häuser, die im Untersuchungsraum bis zum Ende des Alten Reiches überlebt haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der – fehlende – Hinweis auf die politische und verfassungsmäßige Anbindung der mitteldeutschen Grafen an eine klassische »Grafenlandschaft« des Alten Reiches: Wie später auch die Häuser Reuß-Plauen und Schönburg gehörten die Grafen von Schwarzburg seit 1654 zur sogenannten Obersächsischen Adjunktur des Wetterauer Grafenkollegiums und partizipierten grundsätzlich an dieser Kuriatstimme auf dem Reichstag. Gleichwohl werden in der vorgelegten Studie – methodisch wegweisend und auf breiter Quellengrundlage – neuere kulturgeschichtliche und »klassische« sozialgeschichtliche Fragestellungen in einem integrativen Ansatz verbunden; mit Recht wird im Blick auf die bisherigen Untersuchungen der einzelnen Grafenkorporationen der eher unterbelichtete Aspekt der dynastischen Selbstdarstellung herausgestellt.
Im ersten Kapitel »Dynastie und Vergangenheit« wendet sich der Verfasser den vielfältigen Ausdrucksformen einer herrschaftslegitimierenden dynastischen Gedächtnis- und Erinnerungskultur zu. Deutlich wird, daß im 16. Jahrhundert auch die kleineren Adelsgeschlechter ihre Bemühungen intensivierten, ihre oft mythische Herkunft durch – später häufig gedruckte – Chroniken und Stammbäume »wissenschaftlich« zu untermauern; in diesem Zusammenhang wird auch auf die entsprechenden Intentionen der gefürsteten Grafen von Henneberg und der Mansfeider eingegangen. Die Aufspaltung der Geschlechter in mehrere Linien führte bei den Grafen und Herren – bevorzugt in den Hauptkirchen der neuen Residenzorte – zugleich zu einer Vermehrung der herrschaftlichen Grablegen, deren künstlerisch wertvolle Gestaltung der Präsentation des Geschlechts und der Erinnerung an die Vorfahren diente. Die zunehmend aufwendigere Gestaltung der Leichenbegängnisse einschließlich gedruckter Funeralschriften und der Prägung von Sterbemünzen besonders bei einem regierenden Herrn oder Senior des Gesamthauses zielte zugleich auf die Repräsentation der eigenen Landesherrschaft, mithin auf die territorialstaatliche Qualität des dynastischen Herrschaftskomplexes. Die Visualisierung von Ahnengedächtnis, hoher Abstammung des Hauses und ständischem Anspruch erfolgte möglichst sichtbar für jeden Besucher durch kunst- und meist phantasievolle Stammbäume in den Residenzschlössern – so rückten die Schwarzburger selbstverständlich ihren königlichen Ahnherren, den deutschen König Günther von Schwarzburg (gest. 1349), in den Mittelpunkt ihrer Herrschaftsrepräsentation.
Ein weiterer Schwerpunkt der Studie liegt auf der aufschlußreichen Analyse des Konnubiums, die insgesamt die Ergebnisse der bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts reichenden Untersuchungen zu den fränkischen und Wetterauer Grafen bestätigt. Nicht zuletzt als Reaktion auf die in größerem Umfang einsetzenden Standeserhebungen erscheinen seit dem 16. Jahrhundert zunehmend konkretere Richtlinien hinsichtlich der Standeskriterien bei der Partnerwahl, wobei seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wohl aus ökonomischen Gründen ein Anstieg an Eheschließungen innerhalb des eigenen Familienverbandes zu verzeichnen ist. Insgesamt gesehen dominieren bei der Herkunft der Ehepartner die thüringisch-sächsischen Nachbarn, Auswärtige stammen meist aus Franken und der Wetterau, den beiden konfessionsverwandten Grafenlandschaften des Alten Reiches. Im 17. und 18. Jahrhundert zeigen sich deutlich die Folgen der zunehmenden ständischen Differenzierung: Während bei den in zahlreiche Linien zersplitterten (frei-)herrlichen bzw. neugräflichen Reußen und Schönburgern die niederadligen Verbindungen – auch nach Böhmen – zunehmen, dominieren bei den ambitionierten Schwarzburgern neben der Pflege des norddeutschen Verwandtschafts- und Beziehungssystems seit Ende des 17. Jahrhunderts – also im Umfeld der eigenen Standeserhebungen seit 1697 – die fürstlichen Eheschließungen. Wie mit der Ausgestaltung der Hochzeitsfeierlichkeiten und der ständischen Analyse der Gäste anschaulich belegt werden kann, werteten fürstliche Gemahlinnen grundsätzlich den gräflichen Familienverband, aber auch den Glanz der Hofhaltung wesentlich auf – »erreichbar« waren freilich fast ausschließlich Nebenlinien oder Nachgeborene fürstlicher Häuser. Für die Schwarzburger etwa waren die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den älteren Weifen von entscheidender Bedeutung; im Gegensatz zu den Wettinern in Dresden und Weimar bestand ein gutes Verhältnis zu Sachsen-Gotha – die nicht thematisierte Frage nach dem Einfluß von Lehnsabhängigkeiten oder auch Dienstverhältnissen auf das Konnubium wäre in diesem Zusammenhang von einigem Interesse.
Im Kapitel »Rangerhöhung und Repräsentation« werden zentrale sozialgeschichtliche Aspekte dynastischer Herrschaft in den Blick genommen. Während die kaiserliche Klientelbildung im Reich vor allem durch die Erhebung erbländischer und böhmischer Familien in den Reichsfürstenstand die alten Reichsgrafen wie Schwarzburg unter Zugzwang setzte, sahen sich Reußen und Schönburger durch den Druck von »unten« mit der Entwertung ihres alten Herrenstandes konfrontiert. Am Ausgang des Alten Reiches findet sich schließlich selbst bei den zwischenzeitlich gegraften Reußen (1673) und Schönburgern (1700) der im 18. Jahrhundert zunehmend abgewertete Fürstentitel. Neben dynastischem Selbstverständnis und ständisch-zeremoniellem Rang in der Hierarchie des Reiches war vor allem die Sicherung der reichsunmittelbaren Herrschaftsqualität das entscheidende Motiv für eine Standeserhöhung – ungeachtet der vorhersehbaren Konflikte mit dem mitteldeutschen Hegemon und Lehnsherrn Kursachsen. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die wichtige Beob­achtung, daß das neue, ranggemäße Zeremoniell nach einer Standeserhebung die oft jahrhundertealten familiären Beziehungen überlagerte
Im abschließenden Kapitel »Magnifizenz und Wahrnehmung« wird der Frage nachgegangen, wie und in welchem Umfang die in den unterschiedlichsten Formen präsen­tierten dynastischen Botschaften ihre Adressaten erreichten. Mehrere eingehend untersuchte Beispiele verdeutlichen anschaulich die zentrale Rolle von Hochzeiten und Leichenbegängnissen, von Zusammensetzung des Hofes und Herrscherbesuchen unterschiedlicher Standesqualität für die Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie die Präsentation der eigenen Magnifizenz. Außerordentlich wichtig ist der allgemeine Hinweis auf die bislang wenig beachtete Rolle Leipzigs als informelles Begegnungs­zentrum mitteldeutscher Herrschaftsträger, wobei den regelmäßigen Messeterminen wohl die entscheidende Bedeutung zugekommen sein dürfte. Die abschließende Zusammenschau der Ergebnisse fällt zwar etwas knapp aus, dafür wird der Leser jedoch durch die informativen Teil-Bilanzen der vier Großkapitel reichlich entschädigt.
Die wenigen kritischen Anmerkungen bzw. Ergänzungen seien abschließend aufgelistet: Bei dem reichhaltigen Quellenanhang fehlt der Hinweis auf die Editionsgrundsätze; das vollständig abgedruckte, in der Tat bemerkenswerte Reußer Memorial zur Frage einer fürstlichen Standeserhebung (Nr. 7) wird im Text fast eine Seite lang zitiert; eine Trennung von gedruckten Quellenwerken und Sekundärliteratur wäre übersichtlicher und benutzerfreundlicher gewesen; bei dem »Kreis-Ober-Amtmann von Denstedt« (S. 269, Anm. 299) handelt es sich um Ernst Friedrich Meurer, kursächsischer Kreisamtmann zu Tennstedt.
Von diesen geringfügigen Kritikpunkten bzw. Formalien abgesehen, handelt es sich um eine in jeder Hinsicht überzeugende, gut lesbare, klar strukturierte und sehr ergiebige Studie zu den bislang wenig beachteten mindermächtigen Herrschaftsträgern im mitteldeutschen Raum, die hoffentlich zu weiteren Forschungen anregen wird. Der neubegründeten Reihe des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur kann man abschließend nur eine ähnlich positive Fortsetzung wünschen.
Jochen Völsch in » Neues Archiv für sächsische Geschichte«

Vinzenz Czech widmet sich in seiner 2003 erschienenen Potsdamer Dissertation dem Zusammenhang von Herrschaft, dynastischer Selbstdarstellung und Legitimität. Er geht Fragen der Erinnerungskultur nach und berührt dabei auch den Komplex der frühneuzeitlichen Hofkultur. Davon ausgehend, daß die Repräsentationsfähigkeit, die zur Schau gestellte höfische Kultur, zentrale Bedeutung für die Beurteilung einer Dynastie hatte, zeigt sich Repräsentation als Mittel der Herrschaftssicherung und -konsolidierung. Leit- und Schlüsselbegriffe sind dabei Prestige, Traditionsstiftung, Geschlechterbewußtsein, Legitimationsstiftung und das dynastische Gedächtnis. Diesen Aspekten geht Czech in erster Linie anhand der Grafen / Fürsten von Schwarzburg, der Grafen von Stollberg, der Herren / Grafen von Reuß und der Herren / Grafen von Schönburg – den bis zum Ende des Alten Reiches überlebenden Dynastien – sowie der Burggrafen von Kirchberg nach. Er bezieht die Fülle der landesgeschichtlichen Literatur ein, geht aber über die damit wesentlich auch geleistete Zusammenschau, den Vergleich und die Synthese weit hinaus.
In seinen vier Großkapiteln »Dynastie und Vergangenheit«, zur gräflichen Heiratspolitik, »Rangerhöhung und Repräsentation« sowie »Magnifizenz und Wahrnehmung« zeigt Czech die Heterogenität der untersuchten Gruppe auf, die sich zum Ende des Untersuchungszeitraumes – vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – sozial weiter ausdifferenzierte. Am erfolgreichsten, gemessen am ständischen Rang, konnten sich die Schwarzburger entwickeln. Wie die anderen nicht-sächsischen Dynastien hatten sie sich dabei stets der sächsischen Konkurrenz zu erwehren. Die von ihnen erreichten ehelichen Verbindungen werden zum beispielhaften Indikator für Aufstiegs- und Abstiegsprozesse. Sie konnten, auch dank ihrer finanziellen Ressourcen, seit dem 17. Jahrhundert vor allem fürstliche Ehen eingehen. So halfen die Heiratsverbindungen mit dem Haus Oldenburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein familienpolitisches Netzwerk in Norddeutschland zu etablieren. Damit unterschied sich das Heiratsverhalten der Schwarzburger deutlich gegenüber dem von Standesgenossen anderer deutscher Regionen.
Für ihre thüringisch-sächsischen Nachbarn kann Czech jedoch, aufbauend auf einer Reihe von Arbeiten zum adligen Heiratsverhalten (unter anderem von Peter Moraw, Karl-Heinz Spieß, Michael Stolleis, Johannes Arndt, Ernst Böhme, Georg Schmidt), bisherige grundlegende Annahmen und Ergebnisse bestätigen: Auch die Familienpolitik dieser Grafen und Herren war, wie für solch kleinere Geschlechter typisch, in erster Linie auf die »Erhaltung von Stamm und Namen« gerichtet. Reußen und Schönburger mußten aber zunehmend standesunterschreitende Heiraten hinnehmen. Die von ihnen lange verfolgte Praxis der Landesteilung im Erbfall – die Czech wie Karl-Heinz Spieß als Mittel interpretiert, dem Aussterben einer Dynastie vorzubeugen– erkauften sie sich mit einem zunehmenden Prestige- und Machtverlust, deren Symptom und schließlich dann auch Mitursache jene standesunterschreitenden Heiraten waren.
Dynastisches Prestige beruhte neben der Gewinnung von standesgemäßen Ehepartnern auf dem Residenz(aus-)bau, der Hofhaltung und drückte sich auch bei der Münzprägung aus. Alle Dynastien legten darüber hinaus besonderen Wert auf das dynastische Gedächtnis, insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert. Gerade im Falle der Memorialkultur zeigt sich, daß in Zeiten der konkreten Bedrohung der Herrschafts- und Souveränitätsansprüche einer Dynastie ein verstärkter publizistischer Aufwand zu ihrer Absicherung betrieben wurde.
Die im Laufe der Frühen Neuzeit vermehrten Aufstiegsprozesse stellten alle untersuchten Dynastien vor die Notwendigkeit, zumindest nach einer Festigung ihres Ranges, wenn nicht sogar nach einer Rangerhöhung zu streben. Das langjährige Zögern der Rudolstädter Linie der Schwarzburger, den 1697 angebotenen Fürstentitel anzunehmen, läßt aber auch deutlich werden, wie formale Standeserhöhungen um die Wende zum 18. Jahrhundert hin zunehmend unattraktiv wurden. Die Praxis unvollständiger Erhöhungen durch den Kaiser, verbunden mit einer ablehnenden Politik der alten Geschlechter gegenüber den neuen, ließ die Gefahr wachsen, sich bloß »ridicul« zu machen, wie Czech Heinrich XIII. von Reuß-Untergreiz zitiert. Auch den Schwarzburgern – obwohl ein bereits im Mittelalter überregional agierendes und mit Günter XXI. einen Gegenkönig stellendes Geschlecht – sollte es nicht gelingen, »von den alten reichfürstlichen Häusern als gänzlich gleichberechtigt und ebenbürtig akzeptiert zu werden«.
Die Demonstrationen von Rang, eine aufwendige Hofhaltung und Luxuskonsum sowie die sorgfältige Beachtung des Protokolls waren Czech zufolge vorrangig auf die Standesgenossen ausgerichtet. Seine Auswertung von tatsächlich vor Ort anwesenden Besuchern ergibt, daß sich an den Höfen der thüringisch-sächsischen Grafen und Herren im seltensten Fall mehr als die engere Verwandtschaft versammelte. Wen also konnte die zur Schau gestellt Majestas erreichen? Die »höfische Öffentlichkeit des Reichs« höchstens indirekt. Anders könnte dies im Falle der verbreiteten Genealogien oder dem Beharren auf einer bestimmten Titulatur ausgesehen haben, doch ist deren Wirkung einsichtigerweise noch schwieriger nachzuweisen. Was nützte damit der Aufwand? Czech antwortet darauf, Residenzausbau und das Bemühen um Hofhaltung seien »unter dem Gesichtspunkt einer allgemein zunehmenden Notwendigkeit zur Visualisierung der eigenen Magnifizenz« zu interpretieren. Keineswegs seien sie nur oder vorrangig Ausdruck eines zielgerichteten Strebens nach einem Fürstentitel. Entsprechend hat ja bereits Roswitha Jacobsen in Auseinandersetzung mit der These der Prestigekonkurrenz festgestellt, daß »Formen der höfischen Kultur [...] auch dann praktiziert« wurden, »wenn mit einer nennenswerten Außenwirkung gar nicht zu rechnen« war. Diesen mindermächtigen Dynastien ging es in erster Linie um das »Prestige« innerhalb ihrer Gruppe; auch sie konnten nicht auf die Wahrung bestimmter Standards bei ihrer Selbstdarstellung verzichten.
Es ließen sich weitere Fragen anschließen, so danach, was es für die politische Konstellation in diesem Raum bedeutete, wenn die Schwarzburger sich durch fürstliche Eheverbindungen von den Grafen und Herren entfernten. Zu fragen wäre auch, worin sich das durch eine fürstliche Ehefrau gewonnene soziale und kulturelle Prestige niederschlug, abgesehen von Besuchen der Herkunftsfamilie der Frau. Und: Wie läßt sich gerade das frühzeitige schwarzburgische Streben nach der Erhebung in den Fürstenstand und das dies begleitende »ausgesprochen repräsentative Auftreten« in die Argumentation integrieren, die Prachtentfaltung diene vor allem der Visualisierung des eigenen Ranges und der landesherrlichen Souveränität?
Insgesamt handelt es sich um eine überzeugende Darstellung zu Fragen des dynastischen Selbstverständnisses in der Frühen Neuzeit. Die Studie zeichnet sich durch sprachliche Klarheit, gute Lesbarkeit und den stringenten Aufbau aus. Czech geht immer wieder auf Fragen der Methode und der Quellenüberlieferung ein und läßt damit seine Herangehensweise plausibel werden. Sehr nützlich für den Leser sind auch die Zusammenfassungen am Ende der Unter- wie zum Abschluß der jeweiligen Großkapitel. Allerdings ergeben sich bei der Lektüre des gesamten Bandes gewisse Wiederholungen, die vielleicht vermeidbar gewesen wären. Ein Quellenanhang, eine ansprechende, aussagekräftige Bebilderung und ein Register runden ihn ab.
Astrid Ackermann, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 10 [15.10.2004], URL: <http://www.sehepunkte.historicum.net/2004/10/5997.html>