Wolfram Siegel

Der heilige Gangolf in Münchenlohra an der Hainleite

(= Harz-Forschungen 20)

 

Von der Geschichte des im Jahr 1530 aufgehobenen Augustiner-Chorfrauenstifts Münchenlohra südwestlich von Nordhausen sind kaum sicher belegte Nachrichten erhalten, so dass die im 19. Jahrhundert imposant renovierte romanische Basilika fast einen übertriebenen Eindruck von der Bedeutung des Stiftes zu vermitteln scheint. Die wenigen verbürgten Belege wie die archäologischen Befunde hat nun Siegel in einem schmalen Bändchen zusammengetragen; als Befund ergibt sich vor allem, daß das Stift ursprünglich als ein Benediktinerinnenkloster gegründet worden sein muss, denn als solches erscheint es noch im Jahr 1442 in einem Totenrotel des Klosters Admont, während im Rotel von 1477 dann von canonicae reguläres ordinis sandi Augustini die Rede ist. Sein Hauptinteresse richtet S. allerdings auf die Geschichte der Gegend vor der Gründung des Klosters, zu der so gut wie gar keine Quellen existieren. Er stützt sich bei seiner Rekonstruktion vor allem auf die Ortsnamen und auf das Patrozinium des heiligen Gangolf. Schon in früheren Studien hat S. diesen Heiligen gewissermaßen als Leitfossil für das Ausgreifen der Merowinger und frühen Karolinger nach Osten ausgemacht, und so fügt sich jetzt eines zum anderen: Das Kloster erhebt sich an der ursprünglichen Stelle der Stammburg der Grafen von Lare/Lohra, deren Gründung wiederum im Zusammenhang steht mit der Unterwerfung der Thüringer durch die Merowingerkönige Theuderich und Chlothar und die zur Zeit der Sachsenkriege Karls d. Gr. noch einmal strategische Bedeutung erhielt. Die Rekonstruktion klingt in sich plausibel; dennoch sollte man nicht vergessen, dass sie im Wesentlichen auf Hypothesen beruht. Der Eindruck, die Geschichte von Burg und Kloster Lohra sei vom 6. Jahrhundert bis in die Gegenwart erhellt, den die Zeittafel am Ende des Buches vermittelt, ist eher trügerisch.
V. L. in Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Bd. 64,2

 

Der Ort Münchenlohra liegt im Landkreis Nordhausen, im nördlichsten Bogen der Thüringer Wipper, die vom Eichsfeld auf der Wasserscheide zur Leine und zur Unstrut nach Osten fließt. Es ist das Kerngebiet der historischen Grafschaft Lare/Lohra, die bis ins 15. Jahrhundert eine selbständige Herrschaft bildete. Die dem hI. Gangolf geweihte romanische Basilika ist heute die einzige Erinnerung an das in der Reformation aufgehobene und längst verschwundene Nonnenkloster. Der Autor untersucht nicht nur die Baugeschichte der Basilika und die Geschichte des Klosters, in dem .zunächst Benediktinerinnen, und ab 1477 Augustiner-Chorfrauen lebten, sondern auch die Verehrung des heiligen Gangolf, die hier – nahe der alten Sachsengrenze – einen Ort gefunden hatte, kurz bevor die Sachsenkriege Karls des Großen im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts begannen. Basilika und Kloster haben dann später bei ihrer Begründung im Hochmittelalter den Namen des alten Ortsheiligen bewahrt und sein Patrozinium bis in unsere Zeit weitergetragen. Das :letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Verbreitung und den Verbreitungsgrenzen der Gangolfpatrozinien.
TH in: »Erbe und Auftrag« H.6/2005