Iris Berndt

Märkische Ansichten

Die Provinz Brandenburg im Bild der Druckgraphik 1550–1850

 

 

Der Scheiterhaufen brennt, der Kopf ist abgeschlagen – eine gruselige Szene. Detailreich sind sechs Hinrichtungen von 1723 festgehalten. Ein anonymer Kupferstecher tat es, er verewigte den Hinrichtungsplatz von Frankfurt an der Oder. Das Blatt ist eines von fast 900 Abbildungen, die der Band »Märkische Ansichten« enthält. Iris Berndt stellt darin die Provinz Brandenburg vor, wie sie das Zeitalter vor der Fotografie überliefert hat. Druckgraphik von 1550 bis 1850 macht das möglich. Das Buch liefert damit erstmals ein Verzeichnis von sämtlichen historischen Ansichten aus Brandenburg.
Bei aller Üppigkeit ist ein übersichtliches Werk entstanden, bei aller Wissenschaftlichkeit ist es nicht nur für Experten gedacht. Nach kurzer Einleitung kann der Leser sich in das alphabetisch geordnete Verzeichnis vertiefen. Eine Flut von Schlössern, Kirchen, Windmühlen, von Stadttoren, Kasernen und Gasthöfen, von Denkmälern und Gartenszenen kommt auf ihn zu. Hinrichtungen sind nur aus Frankfurt an der Oder überliefert. An blutrünstigen Szenen fehlt es trotzdem nicht, Kriegsdarstellungen, vor allem aus dem Dreißigjährigen Krieg, sorgen dafür.
Die größten Kapitel steuern erwartungsgemäß Berlin, Potsdam und die Stadt Brandenburg bei. Aber auch die Orte im Windschatten der großen Städte kommen zu ihrem Recht. Prominent vertreten ist in diesem Band die Stadt Oranienburg. Die Summe der hochwertigen Kupferstiche lässt ahnen, welche Blüte dieser Ort einst erlebte. 17 Abbildungen sind dem Schloss und Garten abgeschaut, zeigen die barocke Pracht und wie sich das Schloss veränderte. Zwischen 1652 und 1835 sind diese Blätter entstanden. Die letzte Abbildung allerdings hält nicht mehr den Glanz der Anlage fest, sondern zeigt, wie das schöne Schloss zur chemischen Fabrik geworden ist.
Schön sind die Stiche der historischen Gartenanlagen, sie statten den Besucher der Landesgartenschau mit historischem Wissen aus, das dieser an der Gegenwart bestens überprüfen kann. Und so gehört es zu den großen Vergnügungen dieses Buches, wenn der Betrachter sein heutiges Bild mit dem alten vergleicht, wenn er wiedererkennt, wenn er Verluste und Veränderungen sieht und bewertet.
Da sind in ihrer einstigen Pracht wieder hergestellte Schlösser; das in Paretz steuert eine farbige, zarte Abbildung des königlichen Lustschlosses zu den Märkischen Ansichten bei. Kaum noch wiederzuerkennen ist Rathenow, die frühe Arbeit von 1641 wird Matthäus Marian dem Älteren zugeschrieben, sie lässt ein »Rattenaw« auferstehen, das von wehrhaften Mauern fest umschlossen ist. Ohne Schwierigkeiten dürften die Tremmener ihre Dorfkirche ausmachen, die markanten Doppel-Zwiebeltürme prägen heute noch das Ortsbild.
Auch wenn die historischen Abbildungen »Veduten« genannt werden, wirklichkeitsgetreu sind sie nicht unbedingt; vielmehr lassen sie uns mit dem Blick der damaligen Zeitgenossen auf das Brandenburg von einst blicken. Da wurde schon mal ein Flüsschen umgeleitet, ein Kirchturm versetzt oder eine Hinrichtung hinzugefügt.
Marlies Schnaibel u.a. in der »Neuen Oranienburger Zeitung« (Regionalteil der M.A.Z.) vom 12. Mai 2009.

 

Das opulente Buch, das Iris Berndt jetzt im Berliner Lukas Verlag vorlegt, geht auf die jahrelange Beschäftigung der Autorin mit historischen Abbildungen von Baudenkmalen vor allem in der Mark Brandenburg zurück, einschließlich ihrer unter der Mentorschaft von Helmut Börsch-Supan entstandenen und 2002 an der Freien Universität Berlin verteidigten Dissertation. In der Dissertation »wird ausfuhrlich argumentiert und dokumentiert, was hier [im vorliegenden Buch] in einer knappen Einführung zusammengefasst ist. Erweitert gegenüber der Dissertation ist der Katalog.«, so die Autorin in ihrem mit »Danksagung« überschriebenen Vorwort. Der »knappen Einfuhrung« (9–20) steht der Katalog mit 1930 Nummern und beinahe ebenso vielen Abbildungen gegenüber.
Iris Berndt warnt zunächst vor dem »geläufigen Irrtum«, eine historische Ansicht als »wirklichkeitsgetreue Abbildung einer Örtlichkeit jener Zeit« zu betrachten, und erläutert die Arbeitsweise des Zeichners, die letztlich, um es etwas überspitzter als die Autorin auszudrücken, auf eine Manipulation der tatsächlichen Gegebenheiten nach den Interessen des Auftraggebers, des Verlegers und wohl auch nach denen des Künstlers um einer befriedigenden Bildform willen hinausläuft. Entsprechend ist weiteres Misstrauen angesagt, wenn es sich um Kopien, zeitgenössische oder spätere, handelt. Der Standpunkt, von dem aus die Ansicht dargeboten wird, ist meistens fiktiv und deshalb vor Ort nicht oder nur schwer nachvollziehbar. Das ist allerdings nicht nur der Fall, solange »imaginierte« und keine wirklichen Standpunkte gebräuchlich waren. Auch von Karl Friedrich Schinkel, von ihm sogar expressis verbis überliefert, oder von Caspar David Friedrich wurden Landschaften der Komposition unterworfen und deshalb weicht der Anblick vom »wirklichen« Standpunkt meist erheblich von dem ab, was man auf der Zeichnung oder dem Gemälde sieht.
Der Frage »Wie viele waren es einmal?« widmet sich die Autorin statistisch. Von den in den Katalog aufgenommenen 1930 Blättern konnten 141 nicht im Original nachgewiesen werden. Davon ausgehend muss selbstverständlich mit weit mehr Material gerechnet werden als erfasst ist. Hinzukommt, dass sich zahlreiche Abbildungen in Stichwerken verbergen können, die aber gemeinhin »eine bessere Chance auf Überlieferung als Einzelblätter« hatten.
Geradezu spannend ist das Kapitel »Verleger und Auftraggeber«. Die Verlagsorte lagen anfangs weitab von der Mark, in Süddeutschland oder der Schweiz, in Paris oder den Niederlanden. Iris Berndt vermutet nur Frankfurt an der Oder als Ausnahme. Die Verleger schickten ihre Zeichner durch Europa. So kam Johann Stridbeck d.Ä. (1665–1714) im Auftrag des Augsburgers Jeremias Wolff nach Berlin. Nur wegen des Todes des Verlegers unterblieb die zeitgenössische druckgrafische Umsetzung des heute in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrten Skizzenbuchs; spätere Drucke nach Stridbeck sind im Katalog die Nummern 61 (1720/25), 291 (1820) und 302 mit Abbildung (1839). In Berlin war Johann David Schleuen (1740–74) der erste Verleger von druckgrafischen Ansichten. Er druckte auch nach Daniel Chodowiecki (1726–1801) und Christian Bernhard Rode (1725–97), aber größtenteils waren diese ihre eigenen Verleger. Friedrich Nicolai (1733–1811) und der Schweizer Jean Morino, beide gleichzeitig in der Brüderstraße ansässig, vertrieben ebenfalls Ansichten, darunter die von Johann Georg Rosenberg (1759–1808) und Andreas Ludwig Krüger (1743–1822). Erst im mittleren 19. Jahrhundert siedelten sich Verleger auch in den Städten der Mark an, mehrere in Brandenburg an der Havel, in Prenzlau, Schwedt und auch in Neuruppin.

Wie stand es um die Abnehmer? Zunächst waren Sammler selten. Die königliche Familie hatte zwar an italienischen und auch englischen Ansichten, nicht aber an märkischen Interesse und schon gar nicht an druckgrafischen Blättern. Eher waren Künstler an den Arbeiten interessiert. Vorlagensammlungen für die Porzellanmanufaktur sind bekannt, Friedrich Wilhelm III. schätzte die Veduten auf Porzellanschaustücken. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein Ansichtenalbum zur Subskription angeboten, es fand über 500 Abnehmer, überwiegend in der Mark. Die Preise waren unterschiedlich, Schleuen verkaufte billig, wohl aufgrund hoher Auflagen, Krüger verlangte mehr, Johann Rosenberg war ausgesprochen teuer.
Hinsichtlich der Ikonografie standen zunächst Stadtansichten hoch im Kurs, während Dorfansichten offenbar kein Thema waren. Die erste Ansicht von Frankfurt an der Oder in der Cosmographia von Sebastian Münster ist von einem Frankfurter Zeichner (Franz Friedrich ?) für Hans Rudolph Manuel Deutsch in Basel gezeichnet worden, der sie 1548 in Holz geschnitten hat. Dörfer wurden als Motiv erst durch die Romantik angeregt, stilistisch wirkte die holländische Malerei ein. Später konkurrierten Schlossansichten mit den Stadtansichten. Das Interesse an ihnen lag bei den Besitzern und Bauherren wie bei den Architekten gleichermaßen: Sie propagierten ihre Fähigkeit zum Bauen. Bautätigkeit sei der wichtigste Motor für die Anfertigung druckgrafischer Ansichten, meint die Autorin in diesem Zusammenhang und nennt Jean-Baptiste Broebes (1660–1720) und Eosander von Göthe (1669–1728). Verleger in Augsburg sorgten für die überregionale Verbreitung. Am Beispiel des Schlosses Sanssouci demonstriert Iris Berndt noch einmal den Wandel des Standpunkts: Andreas Ludwig Krüger hat auf die frontale Prospektansicht verzichtet und eine perspektivische Seitenansicht mit Staffage auf der Terrassenplattform eingeführt, wie sie später auch von Chodowiecki und nach ihm von Adolf Menzel benutzt wurde.
Am Ende stellt sich heraus: »Öffentliche Aufmerksamkeit war notwendig, um das Verlangen nach Darstellung zu wecken«, sie war unterschiedlich in den Zeiten und sie war entscheidend für die Auswahl. Städte zunächst, Schlösser und Parks folgten. Die Vorlieben für Bauten und Landschaften wechselten. Chorin war durch Schinkel um 1810 zeichnerisch erschlossen und von seinen Eleven für die Druckgrafik kopiert. Lehnin blieb unbekannt, nur vier Druckgrafiken verzeichnet der Katalog. Ein letzter Boom wurde durch die Straßennetze, Postrouten und schließlich durch die Eisenbahnen ausgelöst. Es entstanden Alben mit »Ansichtsrouten«. Am Ende wurden sie von fotografisch bebilderten Reiseführern abgelöst.
»Märkische Ansichten« assoziiert ähnlich klingende literarische Titel und literarisch, ja beinahe journalistisch sind die Überschriften der einzelnen Abschnitte des angenehm zu lesenden Essays, der ohne Nachweise und Anmerkungen auskommt. Dafür steht das Verzeichnis der Primärquellen und der Literatur im Anhang auf den Seiten 430 bis 479. Dem Katalog stehen Nutzungshinweise voran, Erläuterungen zum geografischen – die preußische Provinz Brandenburg in ihren Grenzen von 1815 – und zeitlichen Bereich – die Entstehung vor 1850 –, ferner zu Auswahl und Anordnung – nach den ersten Ortschaftsverzeichnissen ohne Berücksichtigung späterer Grenzveränderungen. Hier wäre es dennoch gut gewesen, die polnischen Namen der Orte in der heute zu Polen gehörenden Neumark mit zu verzeichnen oder den Verzicht zu erläutern. Berlin und Potsdam seien ausgespart (22f.), was bei 67 Seiten für Berlin und 58 Seiten für Potsdam im Katalog nicht recht überzeugt. Innenraumdarstellungen wie auch Bauzeichnungen, Grundrisse und Schnitte sollten nicht Gegenstand des Katalogs sein.

Letzteres wird der Bau- und Kunsthistoriker bedauern, sucht er doch in den historischen Blättern nach Dokumentationen gewesener Zustände. Aber er kommt dennoch auf seine Kosten. Einige Beispiele: Die drei Ansichten der Stadtkirche von Angermünde aus der Chronik von Lösener geben den Westturm, der im unteren Teil aus Granitquadern besteht, mit den charakteristischen Rissen wieder, die bei anderen Türmen gleicher Art im 19. Jahrhundert vielfach zum Abriss geführt haben. Zusätzlich lässt die Zeichnung Kat.-Nr. 5 vermuten, dass das heute steinsichtige Feldsteinmauerwerk, dessen Urtümlichkeit wir so bewundern, zeitweilig verputzt war. Das Feste Haus Badingen und das Schloss Boitzenburg (Kat.-Nr.429 und 442), deren Gestalt sich nach dem 17. Jahrhundert entscheidend verändert hat, zeigen nach den Stichen von Merian von 1652 ihre mächtigen, heute weitgehend verlorenen Renaissancegiebel vor. Den Kat.-Nr. 471 und 472 »Grundriß und Prospect der auf dem Berge bei Alt-Brandenburg gestandenen Marien Kirche« von 1827 liegen die Aufnahmen des Alphonse des Vignoles von 1722 zugrunde, was leider nicht vermerkt ist. Überhaupt hält sich der Katalog mit Zusatzinformationen zurück. Zwar wird die Herkunft aus den Primärquellen genannt, nicht aber die Originale, wenn nach solchen kopiert worden ist. Die Klosterkirche Chorin von Nordwesten (Kat.-Nr.615) aus Löseners Chronik wird, obwohl nur von Johann Heinrich Strack (1805–80) überliefert, auf eine Zeichnung Schinkels zurückgehen.

Von besonderem Wert sind natürlich die Ansichten von Gebäuden, die teilweise zerstört oder gänzlich verschwunden sind. Von der Brandenburger Marienkirche war schon die Rede. Das Schloss zu Dahme (Kat.-Nr.667) ist eine trostlose Ruine. Wichtig für die noch im Wiederaufbau befindliche Marienkirche in Frankfurt an der Oder ist Kat.-Nr. 744 mit der vollständigen Doppelturmfassade und der Einsturzbeschädigung des Südturms, der nach 1826 bis in Traufhöhe des Langhauses abgetragen worden ist. Ähnliches gilt für die Stadtkirche von Guben (Gubin) in einer der selteneren Innenstadtansichten (Kat.-Nr. 944). Diese sind, als Beispiele zu nennen wären auch die von Perleberg (Kat.-Nr. 1229) und vor allem von Prenzlau (Kat.-Nr. 1626 und 1629), insofern von besonderer Bedeutung, als nach Kriegszerstörung und Wiederaufbau die Gestaltung von Platz- und Straßenräumen historisch gewachsener Städte vielfach kaum noch zu verifizieren ist. Schade, dass von den vier verzeichneten Lehnin-Blättern nur eines abgebildet ist. Von Interesse wäre doch die seinerzeit ruinöse Klosterkirche »im gedacht vollendeten Zustand« gewesen (Kat.-Nr. 1053). Etwas einseitig ist auch die Auswahl der Ansichten von dem für die Mark, besser für die Provinz und das heutige Land Brandenburg so außergewöhnlichen Barockkloster Neuzelle (Kat.-Nr. 1149–58).

Nicht ausreichend erscheinen dem Rezensenten auch die Ansichten von Landschlössern und Herrenhäusern, deren Erhaltung im Lande Brandenburg ja eines der größten Probleme für die Denkmalpflege darstellt.

Trotz einiger kritischer Anmerkungen bleibt das Verdienst der Publikation jedoch unbestritten. Die Ausbeute für den Kunstgeschichtler und Landeshistoriker ist bei aller Einschränkung durchaus ergiebig. Vollständigkeit ist erklärter- und zugegebenermaßen unmöglich. Die Abbildungen regen aber dazu an, auch die nicht wiedergegebenen druckgrafischen Blätter kennenzulernen und nicht zuletzt im Kunsthandel nach einem möglichen Erwerb zu trachten. Denn die Freude am Bild ist letztlich genau so groß wie das Interesse an der Dokumentation und wird durch die gut ausgewählten Farbtafeln noch einmal mehr angesprochen.

Ernst Badstübner in »sehepunkte« 8 2008

 

Es ist ein eigenes Vergnügen mit Hilfe dieser »Märkischen Ansichten« die Entwicklung umzukehren. Die längst vertrauten Berliner Stadtbezirke verwandeln sich wieder in kleine märkische Dörfer und ziehen sich in die Naturlandschaft vor der Stadt zurück: Tempelhof an den Fuß seiner Berge oder das Dörfchen Stralau auf das jenseitige Spreeufer. Eine wunderschöne Radierung lässt den Betrachter Dorf und Kirche hinter der mächtigen Gestalt einer Weide am Treptower Ufer auf der anderen Flussseite gerade noch ahnen. Stralau gehört mit seiner hübschen Dorfkirche zu den häufig gedruckten Einzeldarstellungen, motivtypisch für die hier vorgestellten Druckgraphiken aus drei Jahrhunderten ist es aber nicht. Das sind vor allem Stadtansichten und in etwas geringerem Umfang Ansichten der großen Schloss- und Gartenanlagen. Erst später kommen Dorfidyllen und weniger arrangierte Landschaftsmotive hinzu und, wenn auch in deutlich kleinerer Zahl, Manufaktur- und Industriedarstellungen. So zeigt eine anonyme, nach einer Vorlage von Eduard Gaertner entstandene Lithographie die »Töpferei von E. March« und dokumentiert damit die Anfänge der Charlottenburger Töpfer- und Architektendynastie. Weit ungewöhnlichere Motive brachte das Revolutionsjahr 1848 hervor: ein Holzstich zeigt vor der rückwärtigen Ansicht der Diakonissen-Anstalt Bethanien im heutigen Kreuzberg schießende Polizisten und einen »Arbeiterkrawall« und ein anderes Blatt die »Misshandlung der Demokraten in Charlottenburg« in der Berliner Straße vor der Verlagsbuchhandlung Bauer durch Milizionäre.
In der Einleitung macht die Autorin deutlich, dass die Ansichten aus einem integrierten, künstlerischen, handwerklichen und geschäftlichen Prozess hervorgehen. An ihm sind Maler, Zeichner und Architekten, Radierer, Lithographen und Drucker, Holz-, Kupfer- und Stahlstecher, Verleger, Buchhändler und Kunsthändler beteiligt. So sind die Maler und Zeichner der Vorlagen oft namhafte Künstler und Architekten, wie Antoine Pesne und Carl Blechen, Johann Gregor Memhardt, Karl Friedrich Schinkel oder Ludwig Persius. Unter den Verlegern finden sich auch heute noch gekannte Namen wie Haude und Spener, Carl Friedrich Amelang oder die berühmte Verlegerfamilie Merian. Eher selten ist das Beispiel Daniel Chodowieckis, der Zeichner, Radierer, Kupferstecher und Verleger in einem war, seinen im Katalog abgebildeten »Frühlingstag auf der Dorfpfarre Mittags« in Werneuchen aber von Johann Friedrich Bolt in Kupfer stechen ließ.
Der alphabetisch, nach Ortsnamen geordnete Katalog verzeichnet 1930 Ansichtenblätter oder Veduten; davon sind nahezu 900 schwarzweiß abgebildet. In der Mitte des fast fünfhundertseitigen Bandes sind vierzig Seiten mit Farbtafeln eingefügt worden. Karten mit der Kreiseinteilung der Provinz Brandenburg von 1815/17 und des Potsdamer und Berliner Stadtgebietes mit Umgebung, ein Verzeichnis der Primärquellen und ein Künstler- und Verlegerregister machen den prachtvollen Band auch zu einem benutzerfreundlichen Nachschlagewerk.

www.berlin-hidden-places.de

 

 

Das opulente Buch, das Iris Berndt im Berliner Lukas Verlag vorgelegt hat, geht auf die jahrelange Beschäftigung der Autorin mit historischen Abbildungen von Baudenkmalen vor allem in der Mark Brandenburg zurück, einschließlich ihrer unter der Mentorschaft von Helmut Börsch-Supan entstandenen und 2002 an der Freien Universität Berlin verteidigten Dissertation. In der Dissertation »wird ausführlich argumentiert und dokumentiert, was hier in einer knappen Einführung zusammengefasst ist. Erweitert gegenüber der Dissertation ist der Katalog«, so die Autorin in ihrem mit »Danksagung« überschriebenen Vorwort. Der »knappen Einführung« steht der Katalog mit 1930 Nummern und beinahe ebenso vielen Abbildungen gegenüber.
Iris Berndt warnt zunächst vor dem »geläufigen Irrtum«, eine historische Ansicht als »wirklichkeitsgetreue Abbildung einer Örtlichkeit jener Zeit« zu betrachten, und erläutert die Arbeitsweise des Zeichners, die letztlich, um es etwas überspitzter als die Autorin auszudrücken, auf eine Manipulation der tatsächlichen Gegebenheiten nach den Interessen des Auftraggebers, des Verlegers und wohl auch nach denen des Künstlers um einer befriedigenden Bildform willen hinausläuft. Entsprechend ist weiteres Misstrauen angesagt, wenn es sich um Kopien, zeitgenössische oder spätere, handelt. Der Standpunkt, von dem aus die Ansicht dargeboten wird, ist meistens fiktiv und deshalb vor Ort nicht oder nur schwer nachvollziehbar. Das ist allerdings nicht nur der Fall, solange »imaginierte« und keine wirklichen Standpunkte gebräuchlich waren. Auch von Karl Friedrich Schinkel, von ihm sogar expressis verbis überliefert, oder von Caspar David Friedrich wurden Landschaften der Komposition unterworfen, und deshalb weicht der Anblick vom »wirklichen« Standpunkt aus meist erheblich von dem ab, was man auf der Zeichnung oder dem Gemälde sieht. Der Frage »Wie viele waren es einmal?« widmet sich die Autorin statistisch. Von den in den Katalog aufgenommenen 1930 Blättern konnten 141 nicht im Original nachgewiesen werden. Davon ausgehend muss selbstverständlich mit weit mehr Material gerechnet werden als erfasst ist. Hinzu kommt, dass sich zahlreiche Abbildungen in Stichwerken verbergen können, die aber gemeinhin »eine bessere Chance auf Überlieferung als Einzelblätter« hatten.
Geradezu spannend ist das Kapitel »Verleger und Auftraggeber«. Die Verlagsorte lagen anfangs weit ab von der Mark, in Süddeutschland oder in der Schweiz, in Paris oder den Niederlanden. Berndt vermutet nur Frankfurt an der Oder als Ausnahme. Die Verleger schickten ihre Zeichner durch Europa. So kam Johann Stridbeck d. Ä. im Auftragdes Augsburgers Jeremias Wolff nach Berlin. Nur wegen des Tods des Verlegers unterblieb die zeitgenössische druckgraphische Umsetzung des heute in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrten Skizzenbuchs; spätere Drucke nach Stridbeck sind im Katalog die Nummern 61, 291 und 302 mit Abbildung. In Berlin war Johann David Schleuen der erste Verleger von druckgraphischen Ansichten. Er druckte auch nach Daniel Chodowiecki und Christian Bernhard Rode, aber größtenteils waren diese ihre eigenen Verleger. Friedrich Nicolai und der Schweizer Jean Morino, beide gleichzeitig in der Brüderstraße ansässig, vertrieben gleichfalls Ansichten, darunter die von Johann Georg Rosenberg und Andreas Ludwig Krüger. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich Verleger auch in den Städten der Mark an, mehrere in Brandenburg an der Havel, in Prenzlau, Schwedt und auch in Neuruppin.
Wie stand es um die Abnehmer? Zunächst waren Sammler selten. Die königliche Familie hatte zwar an italienischen und auch englischen Ansichten, nicht aber an märkischen Interesse und schon gar nicht an druckgraphischen Blättern. Eher waren Künstler an den Arbeiten interessiert. Vorlagensammlungen für die Porzellanmanufaktur sind bekannt, Friedrich Wilhelm III. schätzte die Veduten auf Porzellanschaustücken Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein Ansichtenalbum zur Subskription angeboten und fand über fünfhundert Abnehmer, überwiegend in der Mark. Die Preise waren unterschiedlich. Schleuen verkaufte billig, wohl aufgrund hoher Auflagen, Krüger verlangte mehr, Johann Rosenberg war ausgesprochen teuer.
Hinsichtlich der Ikonographie standen zunächst Stadtansichten hoch im Kurs, während Dorfansichten offenbar kein Thema waren. Die erste Ansicht von Frankfurt an der Oder in der Cosmographia von Sebastian Münster ist von einem Frankfurter Zeichner (Franz Friedrich?) für Hans Rudolph Manuel Deutsch in Basel gezeichnet worden, der sie 1548 in Holz geschnitten hat. Dörfer wurden als Motiv erst durch die Romantik angeregt, stilistisch wirkte die holländische Malerei ein. Später konkurrierten Schlossansichten mit den Stadtansichten. Das Interesse an ihnen lag bei den Besitzern und Bauherren wie bei den Architekten gleichermaßen: Sie propagierten ihre Fähigkeit zum Bauen. Bautätigkeit sei der wichtigste Motor für die Anfertigung druckgraphischer Ansichten, meint die Autorin in diesem Zusammenhang und nennt Jean-Baptiste Broebes und Eosander von Göthe. Verleger in Augsburg sorgten für die überregionale Verbreitung. Am Beispiel des Schlosses Sanssouci demonstriert Berndt noch einmal den Wandel des Standpunkts: Andreas Ludwig Krüger hat auf die frontale Prospektansicht verzichtet und eine perspektivische Seiten­ansicht mit Staffage auf der Terrassenplattform eingeführt, wie sie später auch von Chodowiecki und nach ihm von Adolf Menzel benutzt wurde.
Am Ende stellt Berndt heraus: »Öffentliche Aufmerksamkeit war notwendig, um das Verlangen nach Darstellung zu wecken« – sie war unterschiedlich in den Zeiten, und sie war entscheidend für die Auswahl. Städte zunächst, Schlösser und Parks folgten. Die Vorlieben für Bauten und Landschaften wechselten. Chorin war durch Schinkel um 1800 zeichnerisch erschlossen und von seinen Eleven für die
Druckgraphik kopiert. Lehnin blieb unbekannt, nur vier Druckgraphiken verzeichnet der Katalog. Ein letzter Boom wurde durch die Straßennetze, Postrouten und schließlich durch die Eisenbahnen ausgelöst. Es entstanden Alben mit »Ansichtsrouten« Am Ende wurden sie von photographisch bebilderten Reiseführern abgelöst.
»Märkische Ansichten« assoziiert ähnlich klingende literarische Titel, und literarisch, ja beinahe journalistisch sind die Überschriften der einzelnen Abschnitte des angenehm zu lesenden Essays, der ohne Nachweise und Anmerkungen auskommt. Dafür steht das Verzeichnis der Primärquellen und der Literatur im Anhang auf den Seiten 430-79. Dem Katalog stehen Nutzungshinweise voran, Erläuterungen zum geographischen – die preußische Provinz Brandenburg in ihren Grenzen von 1815 – und zeitlichen Bereich – die Entwicklung vor 1850 –, ferner zu Auswahl und Anordnung nach den ersten Ortschaftsverzeichnissen ohne Berücksichtigung späterer Grenz Veränderungen. Hier wäre es dennoch gut gewesen, die polnischen Namen der Orte in der heute zu Polen gehörenden Neumark mit zu verzeichnen oder den Verzicht zu erläutern. Berlin und Potsdam seien ausgespart, was bei 67 Seiten für Berlin und 58 Seiten für Potsdam im Katalog nicht recht überzeugt. Innenraumdarstellungen wie auch Bauzeichnungen, Grundrisse und Schnitte sollten nicht Gegenstand des Katalogs sein.
Letzteres wird der Bau- und Kunsthistoriker bedauern, sucht er doch in den historischen Blättern nach Dokumentationen gewesener Zustände. Aber er kommt dennoch auf seine Kosten. Einige Beispiele: Die drei Ansichten der Stadtkirche von Angermünde aus der Chronik von Lösener geben den Westturm, der im unteren Teil aus Granitquadern besteht, mit den charakteristischen Rissen wieder, die bei anderen Türmen gleicher Art im 19. Jahrhundert vielfach zum Abriss ge­führt haben. Zusätzlich lässt die Zeichnung Kat. 5 vermuten, dass das heute steinsichtige Feldsteinmauerwerk, dessen Urtümlichkeit wir so bewundern, zeitweilig verputzt war. Das Feste Haus Badingen und das Schloss Boitzenburg, deren Gestalt sich nach dem 17. Jahrhundert entscheidend verändert hat, zeigen nach den Stichen von Merian von 1652 ihre mächtigen, heute weitgehend verlorenen Renaissancegiebel. Kat. 471 und 472 Grundriß und Prospect der auf dem Berge bei Alt-Brandenburg gestande­nen Marien Kirche« von 1827) liegen die Aufnahmen des Alphonse des Vignoles von 1722 zugrunde, was leider nicht vermerkt ist. Überhaupt hält sich der Katalog mit Zusatzinformationen zurück. Zwar wird die Herkunft aus den Primärquellen genannt, nicht aber die Originale, wenn nach solchen kopiert worden ist. Die Klosterkirche Chorin von Nordwesten aus Löseners Chronik wird, obwohl nur von Johann Heinrich Strack (1805-80) überliefert, auf eine Zeichnung Schinkels zurückgehen.
Von besonderem Wert sind natürlich die Ansichten von Gebäuden, die teilweise zerstört oder gänzlich verschwunden sind. Von der Brandenburger Marienkirche war schon die Rede. Das Schloss zu Dahme ist eine trostlose Ruine. Wichtig für die noch im Wiederaufbau befindliche Marienkirche in Frankfurt an der Oder ist Kat. 744 mit der vollständigen Doppelturmfassade und der Einsturzbeschädigung des Südturms, der nach 1826 bis in Traufhöhe des Langhauses abgetragen wurde. Ähnliches gilt für die Stadtkirche von Guben (Gubin) in einer der selteneren Innenstadtansichten. Diese sind, als Beispiele zu nennen wären auch die von Perleberg und vor allem von Prenzlau, insofern von besonderer Bedeutung, als durch Kriegszerstörung und Wiederaufbau die Gestaltung von Platz- und Straßenräumen historisch gewachsener Städte vielfach kaum noch zu verifizieren ist. Schade, dass von den vier verzeichneten Lehninblättern nur eines abgebildet ist. Von Interesse wäre doch die seinerzeit ruinöse Klosterkirche »im gedacht vollendeten Zustand« gewesen. Etwas einseitig ist auch die Auswahl der Ansichten von dem für die Mark, besser für die Provinz und das heutige Land Brandenburg so außergewöhnlichen Barockkloster Neuzelle. Nicht ausreichend erscheinen dem Rezensenten auch die Ansichten von Landschlössern und Herrenhäusern, deren Erhaltung im Lande Brandenburg ja eines der größten Probleme für die Denkmalpflege darstellt.
Trotz einiger kritischer Anmerkungen bleibt das Verdienst der Publikation jedoch unbestritten. Die Ausbeute für den Kunstgeschichtler und Landeshistoriker ist bei aller Einschränkung durchaus ergiebig. Vollständigkeit ist unmöglich. Die Abbildungen regen aber dazu an, auch die nicht wiedergegebenen druckgraphischen Blätter kennen zu lernen und nicht zuletzt im Kunsthandel nach einem möglichen Erwerb zu trachten. Denn die Freude am Bild ist letztlich genau so groß wie das Interesse an der Dokumentation und wird durch die gut ausgewählten Farbtafeln noch einmal mehr angesprochen.
Ernst Badstübner, in: Brandenburgische Denkmalpflege, 17/2008 Heft 1.

 

 

Um gleich die Problematik für die niederlausitzischen Interessierten vorweg zu klären: Es handelt sich um Ansichten nicht nur aus der Mark Brandenburg, sondern aus der ganzen Provinz Brandenburg, also einschließlich der früher nicht zur Mark Brandenburg gehörigen, sondern über lange Jahre unter sächsischer Hoheit stehenden Niederlausitz.
In einem voluminösen Werk hat hier Frau Berndt alle ihr bekannten gedruckten Ansichten aufgelistet. Die Autorin steigt in das Thema mit einem Verweis auf einen geläufigen Irrtum ein, dass druckgraphische Ansichten oft für wirklichkeitsgetreue Abbildungen gehalten werden. Verschiedenste Punkte, wie Schule des Künstlers oder Vorstellungen des Auftraggebers, beeinflussen eine Darstellung, die es bei einer Interpretation zu berücksichtigen gilt. Eine eilig aufgenommene fotographische Abbildung war ja noch nicht bekannt. Wie der menschliche Betrachter sich auf bestimmte Punkte konzentrieren kann und Unwichtiges übersieht, so hat auch der damalige Zeichner wichtige Objekte hervorgehoben und anderes in den Hintergrund treten lassen. Auch die Staffagen im Vordergrund mancher Ansichten wurden »hinzukomponiert« und als erlaubtes Gestaltungselement angesehen. In der Frage nach der Vollständigkeit ihres Katalogs, bzw. der Zahl früherer Ansichten überhaupt kann die Autorin natürlich keine genauen Zahlen nennen. Drucktechnik der Bilder, Auflagenhöhe und Auflagenzahl der Bücher, in denen Ansichten veröffentlicht wurden, waren zu verschieden, um hier klare Angaben machen zu können.

Hiernach wird auf die »Dreiecksbeziehung« Auftraggeber, Interessent und Künstler eingegangen. Unter Auftraggeber sind aber nicht die Eigentümer großer Schlösser zu sehen, die ihren Besitz und damit ihren Reichtum vor ihresgleichen besser präsentieren wollten, sondern die Verleger, die in dem Vertrieb eine Geschäfts- und Verdienstmöglichkeit erblickten. Neben Berlin war im frühen Zeitraum vor allem Frankfurt (Oder) ein Zentrum des Buchdrucks und damit Entstehungsort so mancher Grafik. Im 19. Jahrhundert brachten dann Brandenburg a. d. Havel und Neuruppin, aber auch Guben beachtliche Produktionen hervor. Hier werden u. a. die niederlausitzischen Verleger J. G. Kühne und F. Fechner sowie der Kupferstecher A. Wagler durch ihre Leistungen hervorgehoben. Unter den Interessenten und Käufern brandenburgischer Ansichten sind kaum Adlige zu finden; diese interessierten sich eher für Ansichten aus Italien oder England. Das Gros der Interessenten kam aus der gutsituierten Mittelschicht: Kaufleute, Beamte, Militärs und Handwerker. Dies konnte vor allem anhand der Subskribentenliste für das 1850 in Hamburg gedruckte »Brandenburgische Album« ermittelt werden. Aus Luckau waren fünf Interessenten gemeldet, darunter der Bürgermeister, ein Maurer, ein Zimmermeister und die Städtische Gymnasialbibliothek. Die Künstler machten sich selten von allein die Mühe, Ansichten der Umwelt zu schaffen, sie standen gewissermaßen zwischen Verleger und Interessenten. Eine der wenigen Ausnahmen ist eine vom Cottbuser Carl Blechen 1830 gefertigte (und unvollendet gebliebene) Ansicht vom Messingwerk in Eberswalde. Oft mussten sich die Künstler mit Porträtmalerei oder Buchillustrationen über Wasser halten. Als Reproduktionslithograph wurde der Cottbuser Gustav Feckert führend, dessen Werke in einem Atemzug mit denen von Adolph Menzel genannt werden (ohne dass von ihm hier ein Werk gezeigt wird).
Der nächste große Gedankenbogen behandelt die Motive. Auch wenn Innenstadtansichten von Berlin und Potsdam ausgeklammert wurden, kommt die Autorin zum Schluss, dass fast immer nur Städte, aber kaum Dörfer dargestellt wurden. Lediglich in Nachwirkung des Landschaftsinteresses des Rokoko entstanden in den Jahren 1780 bis 1810 mehrere Dorfansichten. Frankfurt (Oder) gebührt das Privileg, mit einer Ansicht aus dem Jahre 1548 die älteste gedruckte Ansicht aus Brandenburg zu besitzen (zu der auch noch eine interessante Entstehungsgeschichte überliefert ist). Insgesamt werden Städte meist in Gesamtansichten oder in Vogelschauen präsentiert, die eingebettet sind in eine Landschaft aus Feldern und Weiden. Letztere Ansichten sind heute ob der ausufernden Zersiedlung von Landschaften nur noch selten möglich. Ansichten aus dem Innern der Städte oder von Stadtteilen sind eher rar. Auch Innenstadtansichten sind recht selten. Hier heben sich aus der Niederlausitz Guben und vor allem Lübben gleich mit vier Ansichten von öffentlichen Plätzen deutlich heraus. Selbst Frankfurt mit seinen vielen Ansichten kommt kaum auf mehr innerstädtische Motive. Ansichten von Berlin und Potsdam sind bewusst ausgeklammert worden, da sie einerseits ein Ungleichgewicht in den Katalog bringen würden, andererseits anderweitig veröffentlicht wurden bzw. werden. Neben Ansichten von Städten verbreiteten sich auch viele von Schlössern und Herrenhäusern. Mit seiner reichen Zahl an Schlössern ist die Niederlausitz hier gut vertreten. Eine Art von Motiven kommt dagegen kaum vor: Landschaften. Erst in der Romantik rückten sie verstärkt in das Blickfeld, wobei der aus Cottbus gebürtige Carl Blechen sogar als »Entdecker der märkischen Landschaft« bezeichnet wurde.
Abschließend fragt die Autorin nach den liebsten Gegenden, d. h. nach den Orten, die häufig dargestellt wurden, und muss dabei feststellen, dass große, geschlossene Herrschaftsgebiete schon von Merian in seiner Topographie bevorzugt wurden. Damit fällt die Niederlausitz mit ihrer zergliederten Struktur eindeutig in die Landschaften, die schnell »übersehen« wurden. Doch auch ganz praktische Gründe spielten eine Rolle: So wurden Orte an den Hauptverkehrsadern häufiger dargestellt als »hinter Wäldern und Seen versteckte«. Dennoch hat auch die Niederlausitz eine ganze Reihe von Abbildungen aufzuweisen.
Nach dieser zwölfseitigen Einleitung folgt der gut 400 Seiten umfassende Katalog, dann ein fünfteiliger Anhang von 50 Seiten. Zunächst werden die verschiedenen Primärquellen aufgeführt. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Ordnung nach dem Namen des Verlegers erfolgte und die bekannten »Destinata Literaria et fragmenta Lusatica« unter »Voss« eingereiht sind. Aus der Niederlausitz wurde an Literatur zusammengetragen: Beilage zur Gubener Zeitung (nicht unter Guben, sondern unter »Beilage« aufgeführt), die Chronik von Calau von 1758 und 1833 (unter Driemel), die »Geographische Beschreibung« der Niederlausitz von 1748, das Neuzeller Gebet- und Gesangbuch von 1752, der Neue historische Kalender aus Sorau von 1831 (unter Rauert) und das Luckauer Gesangbuch (»Evangelisches Zion«) von 1736 (unter Voss); aus der Oberlausitz das »Eckardtische Tagebuch« aus Zittau, die »Lausitzischen Merckwürdigkeiten« von Samuel Grosser (1714, unter Richter) und der »Sächsische Postillon« aus Zittau (um 1800). Nach einer Liste mit den Siglen verschiedener Sammlungen folgt eine umfangreiche Literaturliste, dann ein Register der Künstler und Verleger. Sie werden mit Jahr und Ort von Geburt und Tod sowie Beruf bezeichnet, wozu die Nummern der zu ihnen gehörigen Katalogeinträge hinzugefügt sind. Eine Beziehung zur Niederlausitz hatten die Maler, Zeichner und Kupferstecher C. Blechen, N. Brühl, F. W. Höder, C. F. Prün, J. F. Seyfreid, Vester sowie die Verleger und Drucker J. M. und F. Driemel, F. Fechner, T. Gotsch, A. Heine, J. G. Kühn, C. F. Saebisch, G. Schultze, F. Trebes, J. G. und C. F. Voß und A. Wagler. Aus dieser Aufstellung wird ersichtlich, dass die Niederlausitz weniger Maler und Zeichner, aber doch eine Reihe von Verlegern hervorgebracht hat (wobei die Maler an ihren Wirkungsstätten schlechter nachzuweisen sind als die Verleger). Im Vorsatz des Buches ist eine Karte der Provinz Brandenburg mit den im Katalog erwähnten Orten, wobei jedoch gerade die in der Niederlausitz erwähnten Dörfer an falschen Punkten notiert wurden.
Der Hauptteil des Buches ist natürlich der Katalog der nachgewiesenen Ansichten. Aufgeführt werden jeweils das Motiv, der Künstler, Erscheinungsdatum, technische Angaben, Standort und Literaturhinweise. Aus der Niederlausitz sind hier (mit dem Jahr der ersten Abbildung) Calau 4x (1758), Cottbus 12x (1748), Dobrilugk Ix (1848), Finsterwalde Ix (1835), Forst 4x (1776), Fürstenberg 2x (1746), Guben 17x (1738), Lieberose 1x (1815), Lübben 12x (1736), Lübbenau 4x (1787), Luckau 8x (1738), Neuhaus 1x (1825), Neuzelle 9x (1724), Peitz 5x (1652), Pforten 2x (1773), Seese 1x (1744), Sellendorf Ix (1822), Senftenberg 2x (1781), Sorau 15x (1714), Spremberg 3x (1807) und Vetschau 1x (1779) vertreten. Cottbus, Fürstenberg und Lieberose werden auch in großen Einblattdrucken mit kleinen Stadtdarstellungen aufgeführt (aber leider nicht separat gezeigt). Aus den Niederlausitzer Nachbargebieten werden Beeskow 1 x (1850), Bobersberg 2x (1840), Crossen 2x (1840), Müllrose 1x (1670) und natürlich die große Stadt Frankfurt mit ihren 91 Abbildungen vorgestellt. Insgesamt führt der Katalog 1930 Einträge von nachgewiesenen Ansichten aus der Provinz Brandenburg auf; etwa ein gutes Drittel wurde bildlich wiedergegeben.
Wenn auch die Stadt Frankfurt allein fast so viele Katalogeinträge besitzt wie die gesamte Niederlausitz (was obige Bemerkungen bestätigt, dass aus Städten mehr Abbildungen bekannt sind als von Schlössern und ländlichen Gegenden), so ist die Niederlausitz gegenüber der gesamten Provinz Brandenburg doch recht gleichwertig vertreten. Leider hat sie keine so großen Städte, die in Brandenburg die Fülle der Abbildungen für sich beanspruchen. Obwohl Innenstadtansichten von Potsdam und Berlin nicht aufgenommen wurden, machen die Ansichten der fünf wichtigsten Städte (Berlin, Potsdam, Frankfurt, Charlottenburg und Freienwalde) die Hälfte der Katalogeinträge aus. In der Niederlausitz entfallen von den 106 Ansichten bis auf drei für ländliche Herrenhäuser und zehn für das Kloster Neuzelle alle anderen auf die Städte.
Bei der Betrachtung der Abbildungen ergeben sich jedoch verschiedene Fragen: Es gibt in der Regel keine Erklärungen, warum und weswegen Abbildungen geschaffen wurden, keine inhaltliche Interpretation. In der Einleitung wurde darauf hingewiesen, wie wichtig die Klärung dieser Zusammenhänge ist, doch folgen dazu im Katalog keine Ausführungen. So kann man sich nur flüchtig eine Erklärung machen, warum z.B. Bild Nr. 725 entstanden ist, hätte sich aber mehr Informationen gewünscht (hier ein Prozess über angebliche Brandstifter in Frankfurt). Aus der Niederlausitz haben wir hingegen Abbildungen, die aus Gebetbüchern stammen (Nr. 1074 und 1075 aus Lübben und Nr. 1149 und 1152 aus Neuzelle). Wenn auch Bild 1152 mit seiner Detailtreue überrascht, so bleibt doch die Grundtendenz einer Idealisierung zu beachten: »Dies ist ein Ort. an dem ich in das Himmlische Jerusalem gelange.«– Also ist der hier benannte Ort bereits ein idealer Ort. Eine genauere Interpretation hätte zum Beispiel auch zutage gebracht, dass Bild 844 auf keinen Fall Fürstenberg und Bild 1756 auf keinen Fall Sorau darstellen kann. Es handelt sich hier um allegorische Darstellungen, um eine Stadt hoch über dem Fluss bzw. eine türmereiche, also reiche Stadt. Für die Darstellung eines »Brotwunders« hat der aus Augsburg stammende Zeichner wohl eher seine Heimatstadt als Hintergrund gewählt als das ferne Sorau. Ein zweites Problem zeigt sich mit der Abhängigkeit der Abbildungen voneinander, worauf die Autorin nicht einmal in der Einleitung eingeht. Zum einen gibt es die Abhängigkeiten, wenn ein Bild offensichtlich von einem anderen kopiert wurde, aber doch als eigenständig angesehen werden kann (z.B. bei Neuzelle mit Nr. 1154 zu 1151) oder wenn ein Bild als exakte Kopie angefertigt wurde (z.B. bei Neuzelle mit Nr. 1155 und 1158). Erst wenn man an den Originalen sitzt und selbst mit einer Lupe Unterschiede in den Ansichten feststellen will, wird einem die Qualitätsarbeit der Kopisten bewusst. In diesem Bildband wird dies nur selten deutlich, da Dopplungen bei den Abbildungen vermieden wurden. Zur Frage der Abhängigkeit gehört auch die Frage nach der Vorlage: Eine gestochene bzw. gedruckte Ansicht ist nie aus sich heraus entstanden; es ist immer eine Zeichnung als Vorlage nötig. Auf diese Unterscheidung wie auch die dazugehörigen Entstehungsdaten wurde nicht eingegangen. Für den Lokalhistoriker ist nun aber das Entstehungsdatum der Zeichnungsvorlage wesentlich wichtiger als das der Drucklegung.
Insgesamt zeigt das Werk eine große Fülle von Ansichten aus der Provinz Brandenburg, die nur mit großem Fleiß zusammengetragen werden konnten. Beachtlich ist auch die Leistung des Verlages, im Katalog die Abbildungen und die Katalogeinträge bis auf wenige Ausnahmen immer auf die gleiche Seite zu bekommen. So wird das Werk wohl zu einem Standardwerk werden, in dem die Entwicklung Brandenburgs bildhaft vor Augen geführt wird. Daher wird es sowohl der interessierte Laie wie auch der versierte Fachmann gern zur Hand nehmen.

Winfried Töpler, in: Niederlausitzer Studien, Heft 34, 2008.

 

Wie sah die Glienicker Brücke früher aus? Wie war es auf der Pfaueninsel, als dort nur Kaninchen lebten? Wer kennt die Papiermühlen an der Panke oder die Eisenhütte in Hohenofen? Wie sahen die Schlösser und Gärten bei Potsdam, wie sahen Charlottenburg oder Festungen wie Cüstrin, Spandau, Berlin oder Peitz früher aus? Der imposante Band vereint druckgraphische Ansichten aus der Zeit vor der Photographie und ermöglicht so eine beeindruckende visuelle Reise durch dreihundert Jahre märkische Geschichte. Und wer ein wenig Geduld zum Wiedererkennen im Gepäck hat, der wird mit diesem schönen Buch interessante Einblicke erhalten dank einer imposanten Vedutensammlung der früheren Provinz Brandenburg. Auf fast neunhundert Abbildungen sind Städte, Schlösser und Gärten der Mark, ebenso Dörfer, Burgen, Mühlen und markante Landschaften in ihrem jeweiligen historischen Zustand zu sehen und Menschen in ihrem Lebensumfeld.
»Kiez.Magazin. Lichterfelde, Lankwitz, Steglitz«, 2008.

 

Für an der Geschichte Biesenthals Interessierte sind Druckgraphiken mit alten Stadtansichten eine wichtige Informationsquelle. Die Kunsthistorikerin Iris Berndt hat jetzt im Lukas Verlag Berlin das Buch »Märkische Ansichten« veröffentlicht. Dieser Katalog stellt fast 2000 Stadtdarstellungen der Provinz Brandenburg aus der Zeit vor 1850 zusammen. Über 10 Jahre recherchierte die Autorin in Archiven, Bibliotheken und Museen nach historischen Druckgraphiken, von denen rund 900 abgebildet werden. Auch Biesenthal ist mit einer Lithographie in der Zusammenstellung vertreten. Aus Anlass des Baues der Berlin-Stettiner Eisenbahn 1843 entstand ein Souvenirblatt mit den Darstellungen von acht Städten und acht Bahnhöfen an dieser Strecke. Die Lithographie zeigt Berlin, Bernau, Biesenthal, Eberswalde, Angermünde, Passow, Tantow und Stettin. Auf der Darstellung von Biesenthal sind die Kirche, das Rathaus und die Windmühle zu erkennen. Reizvoll ist es, die über 150 Jahre alte Darstellung mit dem heutigen Ortsbild zu vergleichen.
Biesenthaler Anzeiger, 10, 2007

 

Sonntag, 26. August 1787. Am Nachmittag bricht im Neuruppiner Scheunenviertel vor dem Bechliner Tor ein Brand aus. Rasch fegen die Flammen, angetrieben von einem kräftigen Wind, über die barocke Innenstadt, vernichten 415 Bürgerhäuser – zwei Drittel des Ortes –, die Nikolaikirche, das Rathaus, die Schulen. Acht Menschen starben, 3000 werden obdachlos. Unter den Augenzeugen der Katastrophe ist auch der sechsjährige Karl Friedrich Schinkel, dessen Vater infolge der Anstrengungen, die er während des Feuers durchzumachen hat, stirbt. Der Brand in der Garnisonstadt schockiert Preußen. Man möchte über das Inferno möglichst viel lesen – und sehen. Noch im gleichen Jahr fertigt Friedrich Genelli »apres Nature«, nach eigener Inaugenscheinnahme, einen Kupferstich, der die völlig zerstörte Altstadt mit der Ruine der Marienkirche zeigt. Das Bild soll auch die Neugier am Hof befriedigen, verrät Genellis Widmung: »Ihrer königl: Hoheit der Prinzessin Friederike von Preussen unterthänigst zugeeignet«. Der in der Berliner Offizin von Jean Marc Pascal publizierte Neuruppiner Stich ist einer von fast 2000 Veduten, die der opulente Band »Märkische Ansichten« versammelt, von denen die unbekannteren, nämlich fast 900, auch abgebildert werden, über 70 von ihnen in Farbe. Sie zei­gen Städte, Schlösser und Gärten, auch Dörfer, Bürgen, Mühlen, Hammerwerke und Denkmäler sowie markante Landschaften. Wobei zahlreiche Veduten nicht nur das Aussehen von Bauwerken und ihrer Umgebung überliefern, sondern häufig auch Menschen in ihrer jeweiligen Lebensumwelt zeigen. Wer sich also auf eine visuelle Reise durch die brandenburgische Vergangenheit begeben möchte, kommt um dieses Nachschlagewerk nicht herum. Es ist zweifellos das Beste, was zu diesem Thema zu haben ist. Die Kunsthistorikerin Iris Berndt hat über zehn Jahre lang in unzähligen Archiven, Museen, Bibliotheken sowie im Kunsthandel nach historischen Druckgrafiken gefahndet, die vor 1850, also vor der Erfindung der Fotografie, entstanden sind. Mit dem über zwei Kilogramm schweren Katalog liegt nun erstmals ein Verzeichnis sämtlicher bekannter druckgrafischer Veduten der früheren Provinz Brandenburg vor. Ausgehend von der Kreiseinteilung 1815/17, wurden auch Abbildungen von Orten aufgenommen, die heute in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder in Polen liegen. Keine Aufnahme fanden hingegen Potsdam und Berlin; einerseits wurde Berlin schon 1820 aus der Provinz Brandenburg ausgegliedert, andererseits existieren für beide Städte bereits eigene Arbeiten beziehungsweise sind in Vorbereitung, begründet Iris Berndt ihre Entscheidung. Verzeichnet sind jedoch jene Motive, die vor den damaligen Toren Berlins und Potsdams entstanden sind. Doch bevor der landeskundlich interessierte Laie beginnt, die Ansichten unter vielfältigen Gesichtspunkten zu befragen, ist die Lektüre der äußerst informativen Einführung empfehlenswert, die wichtiges Hintergrundwissen über Künstler, Verleger und Publikum liefert. Die Autorin macht hier aber auch deutlich, dass sich mit den Holzschnitten, Radierungen, Stichen und Lithografien zwar ein grandioses Fenster in die Vergangenheit öffne, zugleich jedoch Dichtung und Wahrheit dicht beeinander lägen. Es habe schlechte und gute Künstler gegeben, Zeichner, Stecher und Verleger waren meist verschiedene Personen, bisweilen stecken mehrere Standpunkte in einer Darstellung, und die für repräsentative Zwecke bestimmten Blätter entstanden oft weit abseits des Motivs. Mit diesen Hinweisen im Hinterkopf wird der Betrachter auf den Abbildungen immer wieder neue Details entdecken, die geradezu auffordern, sie mit der Gegenwart zu konfrontieren. Insofern ist die Dokumentation auch eine Einladung, das Brandenburg von Heute mit den Augen von Gestern zu sehen. Denn wie intensiv sich die Sicht auf unsere Städte und Dörfer verändert hat, zeigt sich insbesondere bei den Kirchen. Noch vor eineinhalb Jahrhunderten bestimmten sie die Silhouetten, jetzt verdecken häufig beliebige Neubausiedlungen den Blick auf die einst stolzen Bürgerbauten.

Camillo Kupke, in: Brandenburgische Blätter vom 15. Juni 2007

 

Brandenburg ist eine »Erfindung«. Frech formuliert. Erfunden von Zeichnern, Radierern, Kupferstechern, Architekten in eigenem Auftrag oder dem von Verlegern und Schlossherren. Nicht, dass sie ihre Blätter an der Wirklichkeit vorbei geschaffen hätten, aber mindestens verhübscht haben sie die Realität schon beziehungsweise in eine Fasson gebracht, die eher Wunsch als Wahrheit war. Sie fühlten sich für Vor-Bilder zuständig, brachten ergo zu Papier, wie es hätte sein können. Das erklärt die detailfrohe Selbstgewissheit des 1548 in Holz geschnittenen Stadtpanoramas von Frankfurt (Oder), aber mehr noch die symmetrische Vollkommenheit barocker Schlossprospekte von Caputh oder Charlottenburg, auf denen jedes Gartenkompartiment feinstrichig ausgeführt ist. Die Entdeckung der Landschaft aber, oder genauer: des tiefen Zusammenhangs von Landschaft und Geschichte verdanken wir erst der Romantik und was speziell die Mark betrifft, eigentlich erst Theodor Fontane, der sie seit 1861 durchwanderte und damit nachhaltig popularisierte.
Sicher: Vaterländisch motiviert, suchten die in den 1830ern gedruckten Lithographien des Choriner Klosters die Zukunft in einer vermeintlich besseren Vergangenheit. Doch orientieren sich diese Ansichten an den tatsächlichen Ortsverhältnissen und im Unterschied zum Standard des Barock, der für Sanssouci zum Beispiel die streng axiale Präsentation von Süden her forderte, wählten die Künstler ihre Standpunkte individuell. Es ist eine fontanesche Reise durch die 1930 Katalognummern reiche märkische Druckgraphik, die hier von der Kunstwissenschaftlerin Iris Berndt ermöglicht wird. Zugleich aber auch eine Tour in die nicht minder staunenswerte regionale Kunstgeschichte, die Bescheidenes nicht zugunsten des Großen auslässt. Papiermühlen an der Panke sind ebenso gelistet wie Potsdams Paläste, das sich gegenwärtig so metropolitan fühlende Berlin wird als enge Festungs- und das heute petrolchemisch geprägte Schwedt als aparte Residenzstadt vorgestellt. Guben ist noch ungeteilt und die Glienicker Brücke eine beinahe fragile Holzkonstruktion. Kurzum, der Vergleich zwischen einst und jetzt wird zum Vergnügen.
Das Buch ist also mehr als eine akademische Fleißarbeit, mehr als eine alphabetisch geordnete Veduten-Sammlung mit Fußnoten. Dafür vermitteln die 900 Illustrationen zuviel Atmosphäre. Darüber hinaus aber sind sie »Schnappschüsse« aus jenem uns inzwischen so fernen Zeitalter vor der Photographie, die erhellende Einblicke in Ökonomie und Sozialwesen erlauben, aber eben auch Entwicklungen in der Kunst spiegeln. Dass der Band für Landes-, Kunst-, Architekturhistoriker, Denkmalpfleger oder Stadtplaner fortan unverzichtbar sein wird, steht außer Frage. Eigentlich aber gehört er in jeden Brandenburger, in jeden Berliner Haushalt. Als ein Handbuch der Schönheit.
Frank Kallensee, in: Märkische Allgemeine Zeitung vom 6. Juni 2007 (Verlagsbeilage »850 Jahre Brandenburg«)