Udo Geiseler und Klaus Heß

Brandenburg an der Havel – Lexikon zur Stadtgeschichte

 

Die junge, erst 1997 gegründete Brandenburgische Historische Kommission e.V. fügt jetzt ein im Auftrag des wesentlich älteren, nämlich bereits 1868 gegründeten Historischen Vereins Brandenburg (Havel) e.V. konzipiertes und unter starker Beteiligung von dessen Mitgliedern (42 der insgesamt 108 Autoren) bearbeitetes historisches Stadtlexikon an, das eigentlich noch 2007 aus Anlass des Gründungsjubiläums der Mark Brandenburg erscheinen sollte, hatte doch der Askanier Albrecht der Bär am 11. Juni 1157 die gleichnamige Burg erobert, nach der er sich fortan Markgraf von Brandenburg nannte. Die »Namensgleichheit von Stadt und Land« rechtfertigt zudem die Aufnahme des Stadtlexikons in die landeskundliche Schriftenreihe der Kommission.
Die rund 600 mit den Siglen der 108 Verfasser gezeichneten Artikel behandeln die in historischen Stadtlexika
üblichen Sachbegriffe aus der politischen, der Sozial-, Wirtschafts-, Kirchen-, Bildungs- und Kulturgeschichte, dazu Artikel über Stadtteile und eingemeindete Orte, bedeutende Bauten (nicht aber über die in anderen Stadtlexika häufig zahlreich anzutreffenden Straßen und Plätze), vor allem auch über Körperschaften (unter denen die für Firmen durch ihre große Zahl hervorstechen), dazu – im Vergleich mit anderen Stadtlexika – relativ wenige Artikel für bedeutende und ausschließlich verstorbene Persönlichkeiten (nur 25 – dazu 2 Familienartikeln – unter den 208 Artikeln der Alphabetstrecke A–G). Weitere Personen, darunter noch lebende, findet man in Sammelartikeln, die aber nicht auf Einzelartikel verweisen (z.B. »Bildende Künstler 19./20. Jh.«, »Dichter und Schriftsteller aus Bbg.«). »Bischöfe v. Bbgbieten eine chronologische Liste mit meist knappen biographischen Informationen und Verweisungen auf die wenigen Artikel unter einzelnen Bischofsnamen. Die Geschichte der Juden der Stadt wird in den Artikeln »Jüdische Gemeinde«, »Jüdischer Friedhof« und »Synagoge« behandelt. Für »Denkmäler, militärische« gibt es gleichfalls einen Sammelartikel, ebenso für die »Friedhöfe« (mit Lageplan, ferner »Soldatenfriedhöfe«, dazu ein eigener langer Artikel »Neustädtischer Friedhof«), nicht dagegen für die Kirchen der Stadt und der umliegenden Gemeinden, die mit zahlreichen Einzelartikeln vertreten sind (meist unter ihrem Namen, wenngleich nicht einheitlich – »Dom St. Peter und Paul« aber »Johanniskirche«, dazu zehn Gotteshäuser unter »Dorfkirche …«., doch findet man die »Plauer Kirche« unter diesem Namen; auch unter »Fronleichnamskapellen« wird man nicht ohne weiteres nachschauen). Die Artikel »Bodendenkmalpflege« und »Denkmalpflege« stehen ohne Verweisung an zwei verschiedenen Alphabetstellen. Auch wenn die Artikel mit durchschnittlich 1,5 je zweispaltiger Seite nicht gerade kurz sind, könnte man sich bei manchen eine im Verhältnis von Bedeutung des Gegenstandes zum Umfang angemessenere Gewichtung vorstellen. Die meisten Artikel schließen mit Literaturangaben, die von einem Titel bis zu längeren Listen (unter Einschluss von Aufsätzen) reichen. Standardwerke sind mit Siglen zitiert, die im »Verzeichnis ausgewählter Literatur« im Anhang aufgelöst sind. Der Bebilderung dienen zahlreiche überwiegend kleinformatige Schwarzweißphotos; dazu kommt ein Block mit Farbabbildungen (darunter elf Luftbilder) und fünf thematische Karten. Während die farbigen Abbildungen ganz überwiegend datiert sind, fehlt bei den schwarzweißen nicht selten die (zumindest ungefähre) Datierung. Der Anhang enthält außer dem bereits erwähnten Verzeichnis der »Autoren«, ein solches der »Abkürzungen und Zeichen« sowie ein »Personenregister« in dem die mit eigenen Artikeln vertretenen Namen durch Fettsatz hervorgehoben sind, während die Masse auf die in den Artikeln erwähnten Personen entfällt. Ein alphabetisches Register der Sachbegriffe fehlt, das mit Eintragungen unter Oberbegriffen (z.B. »Kirchen oder Bildungseinrichtungen«) die jetzt verstreuten Artikel für den Benutzer zusammenführen könnte. Denselben Zweck würde – noch besser – ein thematisches Register erfüllen, das man leider auch bei anderen Stadtlexika meist vermisst, das es ermöglichen würde, sich bequem über einzelne Themen im Zusammenhang zu informieren, was im vorliegenden Lexikon durch die genannten Inkonsequenzen bei der Lemmatisierung nicht einfach ist. Dafür ein Beispiel: Wer sich mit Hilfe der Epochenartikel über die Stadtgeschichte informieren möchte, ist jetzt aufs Blättern angewiesen; er findet in alphabetischer Folge: »Dreißigjähriger Krieg«, »Frühe Bronzezeit«, »Jüngere Bronzezeit« (in beiden Fällen mit Verweisung von »Bronzezeit«), »Mittel- u. spätslaw. Zeit«, »Novemberrevolution«, »Revolution 1848«, »Römische Kaiserzeit u. Völkerwanderungszeit« (mit Verweisung von »Völkerwanderungszeit«), »Slawische Einwanderung«, »Steinzeit« (mit Verweisung von »Alt- und Mittelsteinzeit« sowie »Jungsteinzeit«), »Vorrömische Eisenzeit« (mit Verweisung von »Eisenzeit«). Wie man sieht, ist die Vor- und Frühgeschichte (dazu in langen Artikeln) breit dargestellt. Die nationalsozialistische Zeit und die der DDR haben dagegen keine eigenen Artikel, sondern nur deren Gegner bzw. das Ende der letzteren sind mit den Artikeln »Widerstand in der NS-Zeit« bzw. »Opposition in der DDR«, »Volksaufstand 17. Juni 1953« und »Wende (politische) 1989/90« vertreten.

Trotz der genannten Mängel bei der Lemmatisierung und der Defizite bei der Erschließung kann man das Stadtlexikon Brandenburg an der Havel wissenschaftlichen Bibliotheken auch außerhalb des Bundeslandes zur Anschaffung empfehlen.

Klaus Schreiber, http://ifb.bsz-bw.de/

 

 

Das Lexikon zur Stadtgeschichte informiert in mehr als 600 Stichworten und Querverweisen über die Geschichte von Brandenburg an der Havel, der ältesten Stadt der Mark Brandenburg. Die alphabetisch geordneten Artikel unterrichten in einer großen Themenvielfalt über politische Geschichte (zivile und militärische Verfassungsformen, Verwaltungsstrukturen und Verwaltungsinstanzen, Justiz und Gerichtsbarkeit, Territorialentwicklungen, Parteien und Bewegungen), über Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Bevölkerungsgruppen, Stände, Schichten und Klassen, Handwerk, Industrie und Verkehrswesen), über Kirchengeschichte (Konfessionen, geistliche Gemeinschaften und ihre Glaubenszeugnisse), über die Bildungs- und Kulturgeschichte (Schulen, Kunstwerke und Denkmäler, Zeitungen und sonstige Druckerzeugnisse). Außerdem werden bedeutende Persönlichkeiten, Firmen, Vereine, Gesellschaften und topographische Einheiten der Stadt mit Ihren Bauwerken vorgestellt. Zahlreiche Artikel bieten Informationen über Geschichte, Kunst und Literatur und Phänomene des Mönchtums. Einige Beispiele seien hier auswahlweise angeführt: Abtshof, Albrecht der Bär, Askanter, Bibliothek der Franziskaner, Bischöfe von Brandenburg, Bischofsresidenz Burg Ziesar, Bistum Brandenburg, Dominikaner, Fischerei, Kirchen, Klöster (Begräbnisorte), Heiliggeisthospitäler, Katholische Kirche, Klosteranlage der Dominikaner und des Prämonstratenserdomstifts, Marienburg, Märkte, Neustadt, Nikolaikirche, Pfarrkirchen, Pribislaw-Heinrich, Familie von Quitzow, Slawenaufstand, Stadtarchiv, Widukind von Corvey, Wigger, Zauche. Die Stichworte über Kirchengeschichte und Ordenswesen lassen sich beliebig fortsetzen. So ist das Lexikon auch für das Mönchtum ein ergiebiges geistliches Kompendium, in dem der Leser mit schnellem Zugriff eine kompakte Information zu einem interessanten Sachverhalt findet. Die außerordentliche Leistung der Autoren des Lexikons steht außer Frage. Das Lexikon ist in jeder Hinsicht ein hervorragendes Nachschlagewerk«, 115. Jg. 2008, Heft 1
Fritz Wagner in der »Cistercienser Chronik«, 115. Jg. 2008, H. 1

 

Es dauerte Jahre. 108 Autoren verfassten die Einträge für das Lexikon zur Geschichte der Stadt Brandenburg an der Havel. Jetzt liegt das Buch vor – ein Buch, das man empfehlen kann. Die Stichworte reichen von A wie Aktivist bis Z wie Zummel. Der Aktivist ist ein von 1949 bis 1951 in einer Stückzahl von 3761 hier produzierter Traktor. Zummel ist eine alte Bezeichnung für die Gördensee.
Von der Urgeschichte
bis zur jüngsten Vergangenheit spannt sich der Bogen vom Schöppen-stuhl, einem mittelalterlichen Gerichtshof, der zeitweise in einem auf Pfählen errichteten Haus mitten in der Havel untergebracht war, bis zu den Fabriken, die Fahrräder, Kinderwagen, Autos, Flugzeuge und Spielzeug produzierten und exportierten. Die Arbeiterbewegung lässt sich bis 1865 zurückverfolgen. Im Winter 1871/72 streikten die Tuchmacher 13 Wochen lang. 1914 hatte der SPD-Ortsverein 8372 Mitglieder. In der Weimarer Republik besaßen Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam die Mehrheit und die SPD stellte die Oberbürgermeister. Über den letzten OB dieser Phase entschied allerdings das Los, weil ein Kommunist dem SPD-Kandidaten nicht seine Stimme gab, was im Stadtparlament zu einer Pattsituation führte.
Zwar ist ein Lexikon dazu gedacht, einzelne Begriffe nachzuschlagen. Doch bei diesem Buch lohnt es sich auch, es von vorn bis hinten zu lesen. Problematisch ist nur ein Eintrag zu Wilhelm Sievers, der von 1938 bis 1945 Oberbürgermeister war und sich besonders für die Kultur eingesetzt haben soll. Es sieht – sicher unbeabsichtigt – so aus, als solle ein Mann gewürdigt oder entlastet werden, der schon 1925 der NSDAP beitrat. Etwa wenn es heißt, der nunmehrige Oberbürgermeister Fritz Lange habe 1947 nachweislich Druck ausgeübt, um Material zur Deportation von Juden zu bekommen, das Sievers belastete. Der Hinweis, Sievers habe sich in Flensburg mit dem Gauleiter etwa wegen der dänischen Minderheit gestritten und sei dafür gemaßregelt worden, ist nicht erhellend genug. Dies alles lässt sich überzeugender formulieren, so wie es an anderen Stellen im Lexikon, wo es auch um die Nazi-Zeit geht, geschehen ist.

Andreas Fritsche in »Neues Deutschland«, 25. Februar 2008