Horst Stecher

Steinmetzzeichen in Erfurt

Erfurter Studien zur Kunst- und Baugeschichte

Die Sakralbauten, aber auch die Bürgerhäuser der Gotik und Renaissance in Erfurt weisen eine große Zahl an Steinmetzzeichen auf. Ein Arbeitsbericht vermittelt dem Leser Grundlegendes zur Methodik und dem Stand der aktuellen Steinmetzzeichenaufnahme in Erfurt, die durch ihre vollständige Erfassung und steingenaue Kartierung Informationen über den Bauprozess liefert. Darüber hinaus wird über jüngste Untersuchungen zu den Steinmetzzeichen der Schutzturmschleuse berichtet, die um1480 entstanden sein dürfte. Den Hauptteil des Buches macht allerdings die katalogartige Übersicht zu Erfurter Steinmetzzeichen aus, die ein Heimatforscher über viele Jahre hinweg zusammengetragen hat. Diesbezüglich führte insbesondere die Auswertung des die Renaissance betreffenden Materials zu wichtigen Erkenntnissen hinsichtlich bau- und personengeschichtlicher Entwicklungen im 16. und 17. Jahrhundert.
Katharina Baus, in: Stein, Literaturservice

 

Steinmetzzeichen sind, so ist in einschlägigen Lexika zu lesen, Marken, die von Steinmetzen auf den von ihnen bearbeiteten Werksteinen als persönliches Signum angebracht wurden, meist geometrische oder ornamentale, auch monogramm­artige und schließlich seltener sogar figürliche Zeichen. Sie kommen seit der An­tike vor, werden aber vor allem im Mittelalter ein Kennzeichen der Bautätigkeit und überliefern uns etwas von der Individualität jedes einzelnen Bauarbeiters, der ansonsten anonym bleibt. Nicht allzu oft läßt sich ein Zeichen mit einem Namen so definitiv verbinden wie das der Baumeisterfamilie der Parier, die Wolfs­angel in einem Wappenfeld, welches auf den Meisterrang hinweist.
Die Aufmerksamkeit für Steinmetzzeichen ist seit dem 19. Jahrhundert festzu­stellen, ihre Sammlung war bislang vorwiegend die Sache einzelner, auch nicht sehr zahlreicher Interessenten. Horst Stecher (1926–2005) war einer von ihnen, und die meisten Recherchen betrafen – eigentlich war es bei dem Charakter des Materials auch gar nicht anders denkbar – jeweils nur einen Bau und nur selten eine Bautengruppe. Selbst jüngere Monographien, die Steinmetzzeichen für ihre baugeschichtlichen Untersuchungen auswerten, beziehen sich bei deren Samm­lung ausschließlich auf ihren Bau.
Auch Horst Stecher hat überwiegend allein gearbeitet und akribisch gesam­melt. Sein Ansatz aber war übergreifend, d. h. flächendeckend auf den Bestand an Steinmetzzeichen in der Stadt Erfurt gerichtet. Als sein Lebenswerk kann der nun in Buchform vorliegende dreiteilige Katalog – I Sakralbauten, II Krämerbrücke und Stadtbefestigungen, III Profanbauten – angesehen werden. 1641 Zeichen sind zeichnerisch erfaßt und karteikartenmäßig den jeweiligen Gebäuden zugeordnet. Jedes Zeichen ist mit genauen Angaben verortet, z. B. am »Haus zum Breiten Herd« die Nr. 1355: »1. OG, 1. Fenster v. links, Gewände, links«. So be­scheiden der Band in der verdienstvollen Reihe des Berliner Lukas Verlages »Erfurter Studien zur Kunst- und Baugeschichte« auch einherkommt, so handelt es sich doch um einen klassischen Corpusband, der, wie meist, in jahrzehntelanger Arbeit erstellt worden ist. Thomas Nitz würdigt diese Leistung in seinem Vorwort.
Die kurzen Texte Horst Stechers, die dem Katalog beigegeben sind, beschrei­ben nach den überlieferten Ordnungen die Verleihung oder Vergabe von Zeichen an die am Ort ansässigen Bauhandwerker. Jeder neue Steinmetz mußte sich beim Meister um sein Zeichen bemühen, Voraussetzung war das Bürgerrecht der Stadt. Stecher bedauert, daß er aus der Fülle der von ihm in Erfurt ermittelten Bau­meister und Steinmetzen keinem ein Zeichen zuordnen konnte. Den Versuch dazu unternimmt er dennoch und ordnet die Brustbilder zweier Männer im Gebälk über dem 1557 datierten Portal des Hauses Anger 37, die durch ihre Attribute, Zirkel und Meßlatte, als Bauhandwerker kenntlich sind, dem Familien­namen Henningk zu. Er findet beider Werkzeichen, die sie am Portal auf wappen­artigen Kartuschen in Händen halten, an mehreren Bauten in Erfurt. Diese Zu­ordnung erscheint überzeugend, die nachfolgend angeschlossenen aus der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts weniger. Stecher ist sich dessen auch bewußt, aber er hält weitere Zuordnungen in dieser Zeit durchaus für möglich und auf jeden Fall den Verfolg der Arbeiten von einzelnen Steinmetzen oder von ganzen Gruppen. Zur weiteren Forschung wünscht er sich »Arbeitsgemein­schaften in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und den Archiven [...] die sich der Steinmetzzeichen an ihren Häusern und sakralen Bauten annehmen, sie vermessen und aufzeichnen. Ein Austausch im regionalen Bereich und vielleicht darüber hinaus wäre fruchtbringend.«
Inzwischen gibt es Datenbanken und übergreifende Projekte zur Erfassung von Steinmetzzeichen. Vergleiche an verschiedenen Bauten sind leichter und die Möglichkeiten für baugeschichtliche und auch sozialgeschichtliche Aussagen (Steinmetzzeichen als »Kennzeichen zur Dokumentation der Arbeitsleistung [...] und Abrechnung«) sind größer geworden. Einer der Herausgeber, Christian Misch, erläutert in seinem Beitrag am Schluß des Bandes, wie auch schon ein­leitend Thomas Nitz, Methodisches zu den Erfassungsprojekten, die von den Erfurter Denkmalpflegern in Angriff genommen und teilweise schon publiziert worden sind. Christian Misch bezieht sich auf die von ihm vorgenommene und geleitete Erfassung der Steinmetzzeichen an der Allerheiligenkircne in Erfurt. Die Tafel auf Seite 216 läßt dabei den technologischen Fortschritt gegenüber der »Handarbeit« Stechers erkennen: Jedes Zeichen wird mit einem Buchstabensigel, einer »idealisierten« Zeichnung und einem Foto belegt. Aus der Beschäftigung mit dem an sich unüberschaubaren Material, einst wohl eher heimatkundlichem Interesse zu verdanken und vielleicht von etwas hobbyartigem Charakter, ist die Tätigkeit von modern ausgestatteten Forschungsteams geworden, wie Horst Stecher es sich gewünscht hat. Als grundlegende Voraussetzung für deren Arbeit werden aber die Leistungen der engagierten Heimatforscher immer eine wichtige Rolle spielen. Die Publikation der Stecherschen Sammlung bringt dies deutlich zum Ausdruck.
Ernst Badstübner, in: Jahrbuch für Erfurter Geschichte, Band 5, 2010