Vincenz Czech (Hrsg.)

 

Fürsten ohne Land

 

Höfische Pracht in den sächsischen Sekundogemturen Weißenfels, Merseburg und Zeitz

 

Die Geschichte der im Jahre 1657 eingerichteten wettinisch-albertinischen Sekundogenitur-Fürstentümer ist fast 300 Jahre lang kaum beachtet worden. Nachdem ihre Gebiete infolge des Wiener Friedens von 1815 an Preußen gefallen waren, bestand dort keine Neigung, sich mit diesen als »sächsisch« beleumdeten Landesteilen zu befassen. Die sächsische Geschichtsschreibung wiederum vermied es wohl im Sinne politischer Korrektheit, die nunmehr preußischen Gebiete in ihre Arbeit einzubeziehen, um nicht »revanchistischer Umtriebe« bezichtigt zu werden. So blieben die drei Gebiete in einer Art von histonografischem Niemandsland liegen, aus dem sie erst der sächsische Archivar Hellmut Kretzschmar während seiner Dienstzeit im preußischen Staatsarchiv Magdeburg erlöste. 1925 und 1927 veröffentlichte er seinen Aufsatz »Zur Geschichte der sächsischen Sekundogeniturfürstentümer«, womit zum ersten Mal eine öffentliche Aufmerksamkeit über den Gegenstand eintrat. Es bedurfte dann erst nach den territorialen Umwälzungen am Ende des Zweiten Weltkrieges der territorialen Neuordnung Mitteldeutschlands im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution von 1989, um mit der Zuweisung des Kreises Delitzsch ein Stück des ehemaligen Sekundofürstentums Sachsen-Merseburg an den neu entstandenen Freistaat Sachsen anzuschließen. Damit war die Zuständigkeit der Historischen Kommission des Landes Sachsen für Delitzsch hergestellt, die dort im Jahre 2007 eine Tagung veranstaltete. Gleichzeitig wurde aus demselben Anlass an anderen Orten dieses Ereignisses gedacht. Das nunmehr zur Besprechung vorliegende Buch gehört in diesen Zusammenhang.
Es enthält 15 einzelne Beiträge, die sich vorwiegend mit kulturgeschichtlichen Themen befassen. Das erklärt sich wohl aus der Tatsache, dass die drei Teilfürstentümer gemäß ihrer politischen Konstruktion keine größere Macht ausüben konnten und sich auf die Entfaltung höfischer Kultur beschränkten. Die Schlossbauten, die Kunstschätze, die Theaterkultur, die Kunst- und Musikpflege und die Prinzenreisen werden teilweise auch mit einem Seitenblick auf den Dresdner Hof vorgestellt. So beleuchtet das Buch eine nicht unwesentliche Seite fürstlicher Entfaltung im Zeitalter des Barock in Mitteldeutschland, abseits von Krieg und Kriegsgeschrei, und widmet sich einem Lebensbereich, in dem sich sächsischer Hochadel zu bewegen pflegte. Dass es sich dabei nicht um »Fürsten ohne Land« handelte, darf abschließend bemerkt werden. Denn die Herzöge der Nebenlinien verfügten sehr wohl über ansehnliche Ländereien, aus deren Einkünften sie ihren aufwändigen fürstlichen Lebensstil bestreiten und sol­che prachtvollen Schlösser wie diejenigen zu Weißenfels und Zeitz erbauen konnten.
Karlheinz Blaschke, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte, 2011