Lorenz Friedrich Beck (Hg.), Frank Göse (Hg.)

Brandenburg und seine Landschaften

Zentrum und Region vom Spätmittelalter bis 1800

 

Mit diesem Band begründet die Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg ihre Schriftenreihe neu, um, wie die Herausgeber betonen, zur landesgeschichtlichen Forschung, die an den Universitäten in Berlin und Brandenburg kaum noch vertreten ist, einen eigenen Beitrag zu leisten. Auf die problematische Situation der Landesgeschichte weist dann nochmals Frank Göse in seiner Einführung hin. Anlass für die im November 2008 veranstaltete Tagung, deren Beiträge in diesem Band veröffentlicht sind, war das 125. Gründungsjahr der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg und das Kulturlandjahr »Provinz und Metropole«. Frank Göse stellt einleitend fünf Fragenkomplexe vor, die als Anregung für die Referenten/Autoren im Vorfeld dienten, aber keine Verbindlichkeit beanspruchten. Ziel der Tagung war es, das Verhältnis von Zentrum und Region in Brandenburg zu beleuchten, ohne dabei Vollständigkeit zu erstreben oder Themen nach einheitlichen Kriterien abzuarbeiten. Ein weiterführender, vergleichender Blick – so wünschenswert er wäre – konnte bei dieser Konzeption nicht erwartet werden. Die zehn Beiträge des Bandes verfolgen somit ganz unterschiedliche Fragestellungen und behandeln verschiedene Landschaften. Lieselott Enders nimmt Prignitz, Uckermark und Altmark vom Spätmittelalter bis 1800 in den Blick und skizziert die strukturelle Begrenztheit des Wirkens der Landesherrschaft und zugleich den großen Einfluss der Stände. Michael Scholz zeichnet detailliert den langen Weg der Eingliederung der autonomen Adelsherrschaft Beeskow-Storkow ins Kurfürstentum Brandenburg nach. Matthias Hoffeins beschreibt das Alltagsleben mit einer Grenze im 18. Jahrhundert, und zwar am Beispiel der Grenze zwischen der Kleinstadtregion Belzig/Brück auf der einen und der Niederlausitz mit dem Stift Neuzelle und dem Johanniterordensamt Friedland auf der anderen Seite. Normalität im täglichen Grenzverkehr prägte das Bild ebenso wie gewaltsame Aktionen bei der Abwehr preußischer Werbekommandos. Udo Geiseler untersucht das Havelland hinsichtlich der landesherrlichen Präsenz, die sich vor allem in Schlössern und Herrensitzen, der Besitzstruktur und der Anwesenheit von Amtsträgern niederschlug. Im Ergebnis gelingt es ihm, einein Nord-Süd-Richtung durch das Havelland verlaufende Grenze herauszuarbeiten, die bei den Verwaltungsreformen des 19. Jahrhunderts nachwirkte. Christian Gahlbeck, der Experte zur mittelalterlichen Geschichte der Neumark, befasst sich in seiner Studie mit der Herausbildung eines Regionalbewusstseins in der Neumark, das sich nach seinen Untersuchungen bereits früh entwickelte. Deutlich ablesbar ist das an der starken Position, die die Stände in dieser Landschaft besaßen. Vinzenz Czech beschreibt den Übergang der Niederlausitz an Preußen im Jahre 1815. Der Aufbau einer neuen Verwaltungs- und Gebietsstruktur, die auf gewachsene Vorrechte und Traditionen kaum bzw. keine Rücksicht nahm, führte bei der Mehrheit der Bevölkerung zu einer ablehnenden, preußenfeindlichen Haltung. Doch wog dies weniger gegenüber der Absicht des preußischen Staates, die Niederlausitz als neue Provinz fest und dauerhaft mit den Kernlanden der Monarchie zu verschmelzen.
Im zweiten Block der Beiträge geht es um übergreifende strukturelle Fragen. Ralf Pröve verweist auf den Zusammenhang zwischen Straßenbaupolitik und Kommunikationsverhältnissen im 18. und 19. Jahrhundert. Carmen Winkel untersucht das Verhältnis des brandenburgisch-preußischen Adels zum Militärdienst. In reicheren Provinzen war die Neigung des Adels zum weniger gut bezahlten Militärdienst nur gering ausgeprägt im Unterschied zur Kurmark, Ostpreußen oder Pommern. Neben der geographischen Lage und den wirtschaftlichen Verhältnissen spielten auch Familientraditionen, Bindungen zu anderen Landschaften und teilweise auch die konfessionelle Zugehörigkeit bei der Besetzung von Offiziersstellen eine Rolle. Angela Strauß beschreibt katholische Räume in Brandenburg im 18. Jahrhundert am Beispiel des Militärs. Katholische Soldaten im preußischen Heer stellten zwar eine Minderheit dar, aber dennoch wurden für sie Gottesdienste ge­feiert, wenngleich oftmals ein Gemeindestatus sowie ein festes Gotteshaus fehlten. In Grenzregionen, vor allem zum katholischen Schlesien, konnten die Katholiken von einer ihre Konfession begünstigenden Infrastruktur profitieren. In Brandenburg gestalteten sich also die religiösen Verhältnisse vielfältiger, als das bisher gesehen wurde. Den Band beschließt der Abendvortrag des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg a. D., Manfred Stolpe, in dem er die Grundtendenzen brandenburgischer Landespolitik seit 1989 darstellt. Im Zentrum steht dabei in europäischer Perspektive die Metropolenregion Berlin und die Nachbarschaft zu Polen. Was die ländlichen Räume abseits von Berlin und Potsdam betrifft, wie ihre Chancen in Anbetracht der Konzentration auf Wachstumskerne, ein vom Nach­folger Stolpes eingeleiteter Paradigmenwechsel, aussehen, dazu finden sich keine Ausführungen. Und so ist dieser Beitrag kein analytischer Blick eines Insiders, sondern lediglich das Statement eines Politikers!
Jeder Aufsatz hat für sich auf das Leitthema»„Zentrum und Region« hinsichtlich einer bestimmten Landschaft oder eines Territorium zu einer bestimmten Zeit unter einer spezifischen Fragestellung Bezug genommen. Aus diesen Beiträgen und ihren Einzelergebnissen gewinnt der Band seinen unbestrittenen Wert.
Clemens Bergstedt, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschland, Band 56 (2010)

 

Das Verhältnis zwischen Metropole und Provinz spielt in der tagespolitischen Diskussion bis hin zur Fusion der Länder Berlin und Brandenburg immer wieder eine Rolle. Das Buch »Brandenburg und seine Landschaften« befasst sich mit diesen Fragen aus historischer Sicht.
Wie fühlte sich ein Bewohner von Fehrbellin im 18. Jahrhundert? Sah er sich zuerst als Preuße, als Brandenburger, als Havelländer oder als einer aus dem Ländchen Bellin? Waren die Menschen damals eher fremdenfeindlich oder durchaus weltoffen? Verbrachten sie ihr ganzes Leben in ihrem Heimatdorf, in ihrer Heimatstadt oder sind sie nicht doch ziemlich herumgekommen? Um solche Fragen dreht es sich in dem Buch »Brandenburg und seine Landschaften«.
Der Band entstand auf der Grundlage von Vorträgen, die Ende 2008 bei einer Tagung im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gehalten wurden. Die Historiker widmeten sich dabei der Zeit vom Spätmittelalter bis 1800.
In der Einführung heißt es, Martin Zeiller habe die Brandenburger in der Mitte des 17. Jahrhunderts bezichtigt, unfreundliche Leute zu sein, »und Nicolaus Leutinger versah unsere Vorfahren ein knappes Jahrhundert zuvor mit der wenig schmeichelhaften Charakterisierung, ›daß nemlich viele Märcker Cholerischer complexion und daher zum Kriegen geneigt wären‹.«
Auch aus dem 18. Jahrhundert gebe es Stimmen, die eine besondere Neigung der Brandenburger zum Räsonieren hervorheben. In einer Reisebeschreibung beklage der Autor Dressel: »Höflichkeit und zuvorkommende Gefälligkeit scheint hier nicht der Hauptzug in dem Charakter der meisten Leute vom gemeinen Stande zu seyn.«
Für die sächsischen Nachbarn wirkte der mächtige Nachbar im Norden mit seiner schlagkräftigen Armee als nahezu stetige Bedrohung. Schließlich hatte Friedrich II. in seinem politischen Testament notiert, Sachsen wäre für Preußen eine nützliche Provinz, und könne man es nicht ganz gewinnen, so müsse man wenigstens die Niederlausitz kassieren.
1815 gelang letzteres im Zuge des Wiener Kongresses. Am Morgen des 3. August 1815 läuteten in den Städten und Dörfern der Niederlausitz die Kirchenglocken. Es gab offizielle Huldigungsfeierlichkeiten für den preußischen Monarchen, doch so mancher weinte dem sächsischen König eine Träne nach. Bereits früher drangen aggressive preußische Werber immer wieder auf sächsisches Territorium vor. Sie versuchten, geeigneten Männern den Militärdienst schmackhaft zu machen. Wo das nicht gelang, wendeten sie Gewalt an.
Auch märkische Bauern entführten Knechte aus Sachsen, damit nicht die eigenen Leute in eine Uniform gesteckt werden. Das führte dazu, dass im Frühjahr 1724 Sachsens Herrscher 858 Flinten in die Niederlausitz bringen ließ. Auf die Werber sollte künftig geschossen werden. Darüber hinaus gab es Grenzstreitigkeiten. Gehörte das Vorwerk von Aurith auf der anderen Seite der Oder nun noch zu Brandenburg oder schon zu Sachsen?
Andreas Fritsche, in: Neues Deutschland, 14.07.2010

Die Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg unterstreicht im 125. Jahr ihres Bestehens u.a. mit der Herausgabe einer neuen Schriftenreihe ihren Einsatz und ihre Bedeutung für die Geschichtsforschung des Landes. Die Idee der neuen Edition drückt sich in dem Ziel aus, Vorträgen, welche auf von der Vereinigung durchgeführten Tagungen gehalten wurden, eine Veröffentlichungsmöglichkeit zu bieten und somit einem breiten Leserkreis dauerhaft zugänglich zu machen. Ebenso sollen Beiträge über die Sammlungen der Vereinigung, z.B. aus der Bibliothek oder dem Archiv, in der Reihe Aufnahme finden.
Der Eröffnungsband der Neuen Folge der Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung widmet sich der Mark und ihren Landschaften. Für den ersten Band dieser neuen Reihe hätte das Thema kaum besser gewählt werden können, wird doch dem Leser dadurch sehr anschaulich die Vielgestaltigkeit des Landes aus unterschiedlichen Blickwinkeln vor Augen geführt. Regional reichen die hier zusammengestellten Beiträge von der Uckermark im Norden bis zur Lausitz im Süden, von der Altmark im Westen führen sie uns bis hin in den östlichen Teil des Landes, die Neumark. Die Tagung, deren Beiträge hier vorgestellt werden, fand am 22. November 2008 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam als Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten der Vereinigung statt. Der vorfristig gewählte Termin nimmt auf das Thema des Kulturlandjahres »Metropole und Provinz« Bezug und sollte sicherstellen, dass der Band als Festgabe zum Jubiläum im Mai 2009 auch vorliegt – was den Autoren und Herausgebern gelungen ist.
Ein Grußwort des Präsidenten des Landtages Brandenburg und gleichzeitigem Schirmherrn der Tagung, Gunter Fritsch, ist den Fachbeiträgen vorangestellt. In seinen Ausführungen unterstreicht der Landtagspräsident die Bedeutung eines fundierten Geschichtsbewusstseins für die Gestaltung der Zukunft des Landes. Kurt Winkler, Direktor des gastgebenden Hauses, stellt in seiner Grußadresse ebenfalls die Bedeutung der Landesgeschichte im Allgemeinen und speziell die der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg bei der Mitgestaltung einer ausgewogenen Vermittlung von historischen Ereignissen sowie ihre Einbettung in übergreifende Thematiken und Strukturen heraus.
In seiner Einführung umreisst Frank Göse, Spiritus rector der Tagung und stellvertretender Vorsitzender der Landesgeschichtlichen Vereinigung, die Intentionen der Tagung und der Herausgabe des Bandes. Ausdrücklich weist er darauf hin, dass der Fokus nicht auf ein Handbuch der Mark Brandenburg gerichtet war. Ein breit gefächertes Spektrum sollte vielmehr die Vielschichtigkeit der brandenburgischen Geschichte aufzeigen. Um dies in der Praxis realisieren zu können, wurden den Referenten vorab übergreifende Fragestellungen, z.B. nach den Möglichkeiten der Quellenauswertung, der Ausprägung regionaler Identitäten u.a.m. vorgelegt.
Die einzelnen fachwissenschaftlichen Beiträge lassen sich in drei größere Abschnitte unterteilen. Einer allgemeinen Überblicksdarstellung verschiedener brandenburgischer Regionen schließen sich dezidiert regionalhistorische Untersuchungen zu einzelnen Territorien an. Im letzten Abschnitt finden sich dann Beiträge, die sich verstärkt strukturellen Fragestellungen zuwenden.
Den Auftakt der Beiträge macht die Nestorin der brandenburgischen Landesgeschichtsforschung, Lieselott Enders, mit einem überblicksartigen Artikel über die Entwicklung der Prignitz, Uckermark und Altmark. Ihre Erörterungen führen uns vom Spätmittelalter bis in die Zeit um 1800. Die märkischen Einzellandschaften stehen im Blick der darauffolgenden Ausführungen. Michael Scholz beginnt diesen Teilabschnitt des Bandes mit detaillierten Aussagen zum Zusammenwachsen der Herrschaft Beeskow-Storkow mit dem Kurfürstentum Brandenburg. Er beschreibt die Entwicklungslinien der seinen Forschungen zu Grunde liegenden Region vom Hochmittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Die nächsten beiden Autoren, Matthias Hoffeins und Udo Geiseler, beschränken sich zeitlich auf die Epoche der Frühen Neuzeit. Beschäftigt sich Hoffeins eingehend mit der schwierigen, aber auch, gerade deshalb aufschlussreichen Grenzproblematik an BrandenburgsSüdgrenze, geht es in dem Beitrag von Geiseler um die oft ausgeblendeten Wechselbeziehungen zwischen dem Havelland und der sich herausbildenden Residenzenlandschaft Berlin-Potsdam. Der Herausbildung eines ständischen Regionalismus in der Neumark ist der Aufsatz Christian Gahlbecks gewidmet. In seinem Beitrag unternimmt er den Versuch, dieses sich entwickelnde neumärkische Regionalbewusstsein für die Zeit von ca. 1300 bis 1600 herauszuarbeiten. Den Beschluss der eher regional verorteten Aufsätze bildet der Artikel von Vinzenz Czech. Das besondere Interesse des Autors richtet sich hierbei auf die Probleme bei der Eingliederung der ehemals sächsischen Niederlausitz 1815 in den preußischen Staat.
Die Themen der vier stärker strukturell angelegten Aufsätze des letzten Abschnittes reichen von der Straßenbauproblematik (Ralf Pröve) über Fragen zum brandenburgisch-preußischen Adel im Offiziersdienst (Carmen Winkel), den dem Katholizismus gewährten Räumen in Brandenburg (Angela Strauss) bis hin zu Erörterungen über »Zentrum« und »Region« in der Landespolitik seit 1989 (Manfred Stolpe).
Die Beiträge verdeutlichen nicht nur die Rolle der Heimat- bzw. Regionalgeschichte zum Verständnis historisch gewachsener Beziehungen, sie arbeiten das Werden der räumlichen Gliederung Brandenburgs, die bis heute nachwirkt, in der Epoche der frühen Neuzeit heraus. Insofern bieten sie vielfältige Anknüpfungspunkte zu aktuellen Fragestellungen, machen somit aber auch auf das hier nicht behandelte 19. und 20. Jahrhundert und deren Auswirkungen auf die Raumstruktur Brandenburgs aufmerksam. Durch die aufgenommen Karten und Abbildungen wird nicht nur die Darstellung innerhalb der Aufsätze bildhaft ergänzt, sondern nochmals die breite Quellenbasis der Erörterungen unterstrichen. Insgesamt kann der vorliegende Band als ein gelungener Auftakt der Neuen Folge der Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg angesehen werden.
Eberhard Borrrnann, in: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 60 (2009)

 

Eine neue Schrift der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg »Brandenburg und seine Landschaften« beleuchtet das Verhältnis zwischen Metropole und Provinz. Neun Beiträge erörtern auf verschiedenen thematischen Feldern die Herausbildung der Gegebenheiten von Zentrum und Region. Es wird deutlich, dass sich regionale Identität gegenüber der Politik der landesherrlichen Zentrale ausbildete.
Lieselott Enders, die auch umfangreiche Werke über die Geschichte der Prignitz und der Altmark verfasst hat, stellt dies in einem Beitrag »Prignitz, Uckermark und Altmark vom Spätmittelalter bis 1800« dar. Seit 1700 entwickelte sich Berlin immer mehr zum Hauptbinnenmarkt Brandenburgs, was aber in der Altmark und der Prignitz nur bedingt Zustimmung fand. Die Prignitzer Händler, seit alters an den Warentransport vorrangig auf der Elbe flussabwärts nach Hamburg gewöhnt, stellten sich nur teilweise auf Berlin um, die Altmärker noch weniger.
Wolfram Hennies, in: Der Elbländer, Mai 2010 (5. Jahrgang)