Wer das Programm des Lukas Verlags ein wenig verfolgt hat, der weiß, dass dieser sich seit über zwanzig Jahren und in mittlerweile fast 500 Titeln mit vorrangig deutscher Geschichte, deutscher Kultur, deutscher Kunst, deutscher Politik, deutscher Literatur und so weiter befasst hat, dabei einen weiten Bogen schlagend vom nur scheinbar so fernen Mittelalter bis hinein in die Gegenwart. Dieses anspruchsvolle Programm zielte stets auf historische und kulturelle Selbstvergewisserung und kann insofern im besten Sinn als konservativ gelten. Als Verleger habe ich es konsequent vermieden, mich akademischen oder gar politischen Konjunkturen zu unterwerfen. So finden sich bei uns gute Bücher gleichermaßen aus katholischer, protestantischer, jüdischer oder dezidiert atheistischer Provenienz; wir kooperieren sowohl mit der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen als auch mit der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand wie mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen; mir ging es immer um eine Pluralität der Fragestellungen und Blickwinkel, wollte mich nie vor einen Karren spannen lassen oder mich taktisch verhalten müssen. Und weil dem so ist, hatte ich bis vor Kurzem auch keinerlei Bauchschmerzen damit, dass Alexander Gauland zu den vielen Autoren des Verlags zählt.

2011 verfasste er das Nachwort für die unverändert wichtige, grundsolide Dokumentation »›Die Russen sind da‹. Kriegsalltag und Neubeginn 1945 in Tagebüchern aus Brandenburg«, herausgegeben von den renommierten, mit dem Verleger auch freundschaftlich verbundenen Autoren Peter Walther und Peter Böthig. An Gaulands siebenseitigem Text über die politische und mentale Lage in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg finde ich auch beim heutigen Wiederlesen nichts auszusetzen, außer vielleicht, dass er etwas verschwurbelt ist. Der Verfasser war bis 2005 geachteter Herausgeber der damals noch zur F.A.Z. gehörenden und insbesondere im Feuilleton hervorragenden Märkischen Allgemeinen Zeitung sowie bis 2016 Vorsitzender des Fördervereins für das Brandenburgische Literaturbüro, mit dem der Lukas Verlag etliche erfolgreiche Buch- und Veranstaltungskooperationen pflegen durfte. Als der Band »Die Russen sind da« erschien, deutete, soweit ich das damals überblicken konnte, nichts auf die seither einsetzende völkisch-nationalistische Selbstradikalisierung Gaulands hin, die gestern in dem mein Land und irgendwie auch meinen Verlag besudelnden AfD-Wahlerfolg ihren Höhe- bzw. Tiefpunkt fand. Ich kann, wie gesagt, nicht erkennen, dass es seinerzeit ein Fehler gewesen sein soll, Herrn Gaulands Text veröffentlicht zu haben, bin aber jetzt entsetzt und angewidert von seinem politischen Agieren, wie ich überhaupt entsetzt und angewidert bin von dem, was in nicht geringen Teilen des deutschen Volkes an Dummheit und Schamlosigkeit, Engherzigkeit und Wehleidigkeit zwar immer schon unter der Decke vor sich hinstank, seit der Bundestagswahl nun aber mein Land ganz ungeniert verpestet. Ich frage mich manchmal, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, mich weiterhin für Bücher einzusetzen, welche am Ende leider doch nicht genug aufklärerische Wirkung entfalten. Ich würde so gern glauben, in einer reifen Kulturnation zu leben und zu wirken, wo extremistische Positionen höchstens von ein paar Profilneurotikern geteilt und gewählt werden, nicht aber von bis zu einem Drittel der Bevölkerung, doch dem ist offenkundig nicht so.